Laufzeitverlängerung statt Castoren?

19.11.2018 | Jan Becker

Rund um das Atomkraftwerk Isar-II regt sich Widerstand gegen die Anlieferung von Atommüll-Behältern. Weitgehend unbeachtet bleibt die Laufzeitverlängerung für den Meiler, die statt der Stilllegung ansteht.

Besonders dickwandig: Zwischenlager Isar/Ohu
Foto: Dirk Seifert

„Über das Zwischenlager strahlt niemand“, heißt es über die Stimmung in der betroffenen Gemeinde Niederaichbach in einem Bericht über die Pläne der Bundesregierung, im Zwischenlager am AKW Isar Atommüll-Behälter aus Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) im Ausland zu deponieren. Die Abfälle stammen aus dem Betrieb der deutschen AKW. Weil die WAA die Umwelt verseuchen, dort das Ultragift Plutonium extrahiert wird und statt „Recycling“ mehr Atommüll als ursprünglich ensteht, beschloss die Bundesregierung das Verbot der deutschen Anlieferungen seit Mitte 2005.

Aus dem 2011 abgeschalteten Isar-1 wurden von im Betrieb insgesamt angefallenen 4.072 abgebrannten, hochradioaktiven Brennelementen (723 Tonnen Schwermetall, t SM) 1.870 Brennelemente (339 t SM) in die WAA La Hague in Frankreich gebracht. Aus dem noch betriebenen Block Isar-2 wurden 179 t SM dorthin transportiert. In den kommenden Jahren sollen die „aufgearbeiteten“ Reste, verpackt in Castor-Behälter, wieder zurück nach Deutschland kommen. Vier AKW-Standorte wurden als Empfänger ausgewählt, darunter Isar.

Nach dem „Neustart“ der Suche nach einem Atommüll-Lager wurden die Castor-Transporte nach Gorleben gesetzlich verboten. Auf den wendländischen Straßen eskalierte einmal jährlich die Auseinandersetzung um die deutsche Atompolitik. Die größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik waren nötig, um dort die „Entsorgungspläne“ der Regierung durchzusetzen. Jahrzehntelang wurde im Wendland mithilfe dieser „Durchsetzungs-Politik“ jedes Vertrauen in die Atommüll-Politik konsequent verspielt. Jede neue Anlieferung schaffte weitere Fakten auf dem Weg zum zentralen Atommüll-Lager. Somit war der Transportstopp eine zwingende Konsequenz, wollte man dem „Neustart“ überhaupt eine Chance einräumen.

„Wenn schon Dreck, dann bitte nicht bei uns!“

Mit einer Unterschriftensammlung fordert die Gemeinde Niederaichbach nun, dass die restlichen Castoren nicht im benachbarten Zwischenlager am AKW Isar eingelagert werden. Sie sollten dorthin, „wo alle bisher zurückgelieferten Castoren eingelagert wurden“: in das Zwischenlager Gorleben. Angeführt werden viele sicherheitstechnische Gründe gegen die Anlieferung zum AKW Isar - die allerdings für die Halle in Gorleben ebenso gelten (müssten).

Mit einer am 25.10. gestarteten Online-Petition an das Atommüll-Bundesamt (BfE) fordern neben dem Ersten Bürgermeister Niederaichbachs bis heute über 4000 Menschen: „Der Schutz der Bevölkerung vor den bisher unvorhersehbaren Risiken der geplanten Atommüllzwischenlagerung geht uns alle an!“ Anwohner*innen erinnern an frühere politische Bekenntnisse: Der „Abtransport von Atommüll war zugesagt“. „Wenn schon Dreck, dann bitte nicht bei uns!“, heißt es hingegen treffend in einem anderen Kommentar.

Transporte sind sinnlos & gefährlich!

Nachdem das Zwischenlager Brunsbüttel nach einem erfolgreichen Gerichtsverfahren seine Betriebsgenehmigung verloren hatte, sind alle Zwischenlagerhallen (und vor allem die baugleichen) ebenfalls als „nicht terrorsicher“ zu deklarieren. Dieses Eingeständnis bleibt offiziell natürlich aus. Dennoch muss es die Einlagerung weiteren Atommülls in die Hallen verbieten.

Weiteres Argument ist das sinnlose Verschieben der hochgefährlichen Fracht von einem Zwischenlager in das nächste. Die Fragen, an welchem Ort ein „endgültiges“ Atommüll-Lager für den deutschen Atommüll entstehen soll, wie dieses aussieht und wann es betriebsbereit ist, sind völlig offen. Klar ist jedoch, dass die Castoren irgendwann erneut auf die Schiene oder Straße müssen, um dorthin zu gelangen. Damit verbunden ist immer auch das Risiko schwerer Unfälle oder möglicher Anschläge.

Laufzeitverlängerung statt Castoren

Auf ein ganz anderes Thema weist das Landshuter Bündnis für Atomausstieg (BüfA) hin: Künftig könnte in Isar noch mehr Atommüll produziert werden, als es im ursprünglichen - aber immer noch geltenden - Atomausstiegsgesetz vereinbart war. Die dort festgeschriebene Reststrommenge, die das Kraftwerk bis zum Verlust seiner Betriebsgenehmigung herstellen darf, ist etwa im Sommer 2020 aufgebraucht. Laut der Änderung des Atomgesetzes vom August 2011 darf der Meiler aber bis zum 31.12.2022 laufen. Die Übertragung von Strommengen aus anderen Kraftwerken soll den Weiterbetrieb bis zu diesem Abschalttermin ermöglichen.

„Während der Transport von Castoren im Landkreis Landshut hohe Wellen schlägt, wird diese 'Laufzeitverlängerung' derzeit völlig unbemerkt betrieben“, warnt das Bündnis.

In einer Pressekonferenz am kommenden Donnerstag wollen die Aktivist*innen über die Konzequenzen dieser „Laufzeitverlängerung“ informieren.

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    11.10.2018 - Risikoforscher*innen weisen darauf hin, dass Atomkraftwerke am Anfang und am Ende ihres Betriebes riskanter sind. Eine ganze Reihe von Defekten in verschiedenen Anlagen untermauern diese These.

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Quellen (Auszug): la-rundschau.de, gemeinde-niederaichbach.de, openpetition.de, atommuellreport.de

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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