Das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIVE hat in Zusammenarbeit mit dem RTL Nachtjournal und Mediapart von zwei Whistleblowern erfahren, dass es in deutschen, schweizerischen und französischen Atomkraftwerken erhebliche Defizite beim Brandschutz gibt.
Brandschutzklappen sollen bei einem Feuer bestimmte Bereiche in den Kraftwerken automatisch abriegeln und so verhindern, dass sich Rauch und später Feuer über die Lüftungsschächte in andere Bereiche ausbreiten können. Die Brandschutzklappen in vielen Atomkraftwerken beruhen auf einer „problembehafteten Technik aus den 1960er-Jahren“ und seien damit „völlig veraltet“, attestieren die Journalist*innen von CORRECTIVE. Sie haben Whistleblower auf Schweizer Berggipfeln und französischen Brücken getroffen, mit Expert*innen und Insidern gesprochen, tausende Seiten Dokumente analysiert. Zudem wurde bei den Kraftwerksbetreibern und den für sie zuständigen Aufsichtsbehörden nachgefragt.
„In dicken Betonwänden sieht man graue Brandschutzklappen, daneben verkratzte Plaketten. Die Nummern der Räume, die die Klappen im Brandfall voneinander trennen sollen, lassen sich nur schwer erkennen. 'Das ist uralte Technik'“, sagt Whistleblower Dietmar Krause.
„Falls es einmal zu einem Brand kommt, muss jede Brandschutzklappe funktionieren”, sagt Christoph Pistner, Mitglied in der für Reaktorsicherheitskommission des Bundesumweltministeriums. „Nicht eine einzige sollte ausfallen, denn dann springt der Brand über.“
Die Vorwürfe an den Betreiber des schweizerischen AKW Gösgen sind massiv, es sei beim Brandschutz „zuletzt nur noch gespart“ worden, so ein ehemaliger Mitarbeiter. Nachfragen von CORRECTIVE ergaben, dass in Deutschland bisher von insgesamt etwa 5.500 Brandschutzklappen seit ihrer Inbetriebnahme lediglich 20 ausgetauscht wurden.
Laut Matthias Dietrich, Brandschutz-Gutachter in deutschen Reaktorblöcken, könnten in den bis zu 42 Jahre alten Atomkraftwerken in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz mit der Zeit Haarrisse oder andere Beschädigungen an den Klappen aufgetreten sein. Ein wirksamer Brandschutz mit veralteten Klappen „ist schwer möglich“, fassen die Autor*innen zusammen.
Die alten Klappen gegen neue zu ersetzen würde den Betreibern immense Kosten verursachen. Also bestimmen sie stark mit, welche Technik als sicher gilt und welche nicht. Die Aufsichtsbehörden würden das Vorgehen abnicken, beklagen die Journalist*innen. So würde die Nutzungsdauer von Bauteilen in Frankreich wie in Deutschland „immer wieder über die ursprünglich vorgesehene Dauer hinaus verlängert“.
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- Atomunfall – sicher ist nur das Risiko
Ob technischer Defekt oder Flugzeugabsturz, Materialermüdung oder Unwetter, Naturkatastrophe oder menschliches Versagen – in jedem Atomkraftwerk kann es jeden Tag zu einem schweren Unfall kommen. Ein Super-GAU bedroht Leben und Gesundheit von Millionen.
Quelle (Auszug): neues-deutschland.de, correctiv.org; 12.9.2018