Auch bei Block 2 des baden-württembergischen Atomkraftwerks Neckarwestheim „zählen nur die Interessen der EnBW“, kritisieren Atomkraftgegner*innen. Mit einer Sammeleinwendung wird für die Sofort-Abschaltung und gegen die Abrisspläne protestiert.
Vier Jahre bevor das AKW Neckarwestheim-2 nach derzeitigen Plänen der Bundesregierung vom Netz genommen wird, will sich die Betreiberin EnBW dessen Abriss genehmigen lassen. Das Umweltministerium Baden-Württemberg bereitet den letzten öffentlichen Abschnitt des atomrechtlichen Verfahrens vor: Seit Anfang Juli sind die Unterlagen für die so genannte Öffentlichkeitsbeteiligung zum Abriss des Meilers ausgelegt. Noch bis zum 3. September kann jede Bürgerin und jeder Bürger Protest gegen die Pläne einlegen.
Der angekündigte Abriss soll ab 2023 „rasch und billig“ beginnen, vorher soll die EnBW aber nochmals viereinhalb Jahre lang mit dem gefährlichen Weiterbetrieb des Reaktors viel Geld verdienen dürfen. „Zu Lasten von Mensch und Natur, zu Lasten der Zukunft, und praktisch unversichert gegen einen Super-GAU – so die amtliche Planung“, heißt es in der Sammeleinwendung der Initiative „Atomerbe Neckarwestheim“.
„Statt einer Geisterfahrt mit langem und gefährlichem Weiterbetrieb des AKWs und dann schnellem Spar-Abriss braucht es die umgekehrte Richtung: Sofort abschalten, und dann langsam und sorgfältig den Abbau angehen!“, fordern die Aktivist*innen.
Keine Blanko-Schecks für die EnBW!
Das aktuelle Erörterungsverfahren könne sich nur auf den heutigen Stand der Technik und der strahlenmedizinischen Kenntnisse beziehen, kritisiert die Initiative, die auch den Abriss von Block 1 kritisch begleitet. Technische Neuerungen und nationale wie internationale Erfahrungen, die in den kommenden Jahren beim Abriss anderer AKW hinzukommen werden, würden ebenso wenig in das Genehmigungsverfahren einbezogen wie Störfälle im weiteren Betrieb. Eine vorzeitige Abriss-Erlaubnis sei ein inakzeptabler „Blanko-Scheck für die EnBW“.
Die Betreiberin plant unter anderem die Freisetzung von radioaktivem AKW-Schutt in die Umwelt über „Recycling“ und durch Lagerung auf gewöhnlichen Deponien. Auch nach Ende des Leistungsbetriebs soll weiter Radioaktivität in Luft und Neckar abgegeben werden. Ein „Standortabfalllager“ und ein „Reststoffbearbeitungszentrum“ soll EnBW ohne Umweltverträglichkeitsuntersuchung und Bürgerbeteiligung bauen dürfen.
Bürger*innen werden um ihre Rechte gebracht
In den bisherigen AKW-Abriss-Genehmigungsverfahren in Obrigheim, Neckarwestheim-1 und Philippsburg-1 werden die Bürger*innen „durch trickreiche Verfahrensführung des baden-württembergischen Umweltministeriums um ihre Rechte gebracht“. Die grün-schwarze Landesregierung setzt nun ihren Kurs einer „konzernfreundlichen Umgangsweise“ mit radioaktiven Risiken fort.
Die EnBW befindet sich mehrheitlich im Landesbesitz. Die Landes-Atomaufsicht und das Umweltministerium hätten dadurch „ihre Neutralität verloren“, kritisieren Atomkraftgegner*innen. Umso wichtiger sei es, dass die Bürgerinnen und Bürger dem Ministerium „auf die Finger schauen und eine echte Beteiligung – in allen Genehmigungsverfahren und -schritten des Stilllegungs- und Abbau-Projekts, über die gesamte Zeitdauer - einfordern“.
Die Initiative ruft dazu auf, Einwendungen im jetzt anlaufenden atomrechtlichen Verfahren zu erheben: Bis Mitte kommender Woche kann noch eine vorbereitete Sammeleinwendung unterzeichnet werden. Das offizielle Verfahren endet am 3. September.
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Quelle (Auszug): atomerbe-neckarwestheim.de, umweltfairaendern.de, neckarwestheim.antiatom.net; 21.8.2018