„Konrad wird fertiggestellt“, ist sich Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) sicher. Atomkraftgegner*innen unterstellen ihm eine „Rolle rückwärts in die 80er“ und laden zu einer bunten Protestaktion gegen die Atommüllpläne ein.
Lies besuchte vergangene Woche Schacht Konrad bei Salzgitter, informierte sich über den Baufortschritt des Lagers für schwach- und mittelaktive Abfälle und zeigte sich anschließend überzeugt: Er halte das Bergwerk für geeignet dort große Mengen Atommüll einzulagern, ließ er die Journalist*innen während der Schachtfahrt wissen. Die Konzeption der Einlagerung sei „klug“, das Konzept „durchdacht“ und „genau der richtige Weg, der beschritten wird“.
An die Schachtfahrt schloss sich ein Gespräch mit Kritiker*innen an, in dem Lies auch der Forderung nach einer rückholbaren Einlagerung des Atommülls eine Absage erteilte. „Wenn wir den Atommüll rückholbar lagern, geben wir ja gleich zu, dass wir nicht sicher sind, ob es gut geht“, so Lies. Ein „absurdes Argument“, halten die Kritiker*innen ihm entgegen. Mit dieser „Rolle rückwärts in die 80er“ ignoriere er Konsequenzen aus der Havarie der Asse II. Man dürfe „nie wieder Atommüll vergraben, ohne dass eine Korrektur von Fehlern aus der Vergangenheit möglich ist“, fordert die Arbeitsgemeinschaft (AG) Schacht Konrad.
In Konrad entsteht mittlerweile „ein völlig anderes Projekt“ als jenes, das mit dem Planfeststellungsbeschluss 1992 genehmigt wurde, merken Atomkraftgegner*innen an. In den letzten Jahrzehnten wurden insgesamt 35 - angeblich unwesentliche - Veränderungen vorgenommen. Während der Minister diese Veränderungen für „eine Anpassung an den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik“ hält, fordern Kritiker*innen ein neues Planfeststellungsverfahren - doch das scheuen die Verantwortlichen „wie der Teufel das Weihwasser“. Das Umweltministerium Niedersachsen ignoriere diese Fakten, so die AG.
Die kritischen Auffassungen werden aktuell bestätigt: Es sind Änderungen der Führung im nördlichen Tunnel geplant. Diese sind für die Bundesregierung kein Grund für ein weiteres atomrechtliches Änderungsverfahren. „Es handelt sich nicht um eine wesentliche Änderung und für diese Schachtförderanlage sind entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss Konrad auch keine ergänzenden qualitätssichernden Forderungen aus kerntechnischer Sicht festgelegt, so dass auch kein Änderungsantrag beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit zu stellen ist“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken.
Selbst unter seinen Parteifreund*innen kommt die Linie von Niedersachsens Umweltminister nicht gut an: „Die SPD-Ratsfraktion der Stadt Salzgitter sowie der SPD-Unterbezirk Salzgitter sind überrascht und entsetzt über Deine Aussagen“, schreibt die SPD Salzgitter. Kritik kommt auch von den Grünen im Landtag.
Protest-Treck geplant
Aktivist*innen planen eine Demonstration von Salzgitter-Lebenstedt zur ca. 30 Kilometer entfernten Bundesgesellschaft für Endlagerung in Peine. Das Konrad-Projekt dauere „immer länger und wird dadurch ständig unsicherer“, denn die Lücke zwischen heutigen Sicherheitsanforderungen an ein Atommülllager und dem was in Konrad zusammengebaut wird, werde „immer größer“, heißt es in einem Aufruf zu der Aktion am 20. Oktober. Auch .ausgestrahlt mobilisiert zu dem Protest, an dem neben Treckern und anderen Fahrzeugen auch mit Fahrrädern teilgenommen werden kann.
„Wir wollen an unsere gute und starke Protest-Tradition der Lichterketten und Frühstücksmeile anknüpfen und in einem bunten und eindrucksvollen Treck losziehen“, heißt es in der Einladung.
Im Frühjahr diesen Jahres gab der Betreiber von Schacht Konrad – die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) – bekannt, dass sich die Inbetriebnahme des geplanten Atommülllagers zum wiederholten Male verschieben würde: Von 2022 auf 2027. Ein Viertel des Einlagerungsvolumens von insgesamt 300.000 Kubikmetern ist bisher fertiggestellt. Kalkuliert wird derzeit mit Baukosten in Höhe von 4,2 Milliarden Euro.
Es zeichnet sich ab, dass das Lager viel zu klein ist. Für rund 100.000 Kubikmeter Atommüll, die aus dem Bergwerk Asse geborgen werden sollen, ist im Schacht Konrad ebenso wenig Platz wie für die strahlenden Rückstände aus der Urananreicherungsanlage Gronau.
„Es ist absurd und gefährlich, dass an einem falschen und offensichtlich nicht umsetzbaren Projekt festgehalten wird, nur weil es dafür eine Genehmigung gibt”, warnen Atomkraftgegner*innen.
Statt sich auf Schacht Konrad zu konzentrieren, muss die zugesagte Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse-II Priorität bekommen!
- weitere Infos zur Aktion am 20. Oktober: http://www.anti-atom-treck.de
weiterlesen:
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29.03.2018 - Es ist mal wieder eine Frage der Perspektive. Die einen sprechen von „vorgezogener Rückholung“, die andere Seite ist schwer enttäuscht. Einen Zeitplan für die versprochene Bergung der zehntausenden Atommüllfässer aus dem maroden Bergwerk Asse-2 gibt es nämlich nicht. Auf die Region könnte aber ein ganz neues Problem hinzukommen: Noch viel mehr Atommüll. -
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08.03.2018 - Atommüll in alten Bergwerken zu lagern, ist längst nicht mehr Stand der Wissenschaft -
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16.02.2018 - „Rückholung des Asse-Mülls beschleunigen und Konrad stoppen“, so lauten die aktuellen Ziele, die von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad kürzlich vorgestellt wurden.
Quellen (Auszug): ingenieur.de, haz.de, salzgitter-zeitung.de, braunschweiger-zeitung.de, taz.de, ag-schacht-konrad.de; 8./9./13.8.2018