Der Informationsstil zu den geplanten Atommüll-Lieferungen sei „wie vor 40 Jahren“ beschweren sich Atomkraftgegner*innen. Schlampig geht es auch beim Ausdrucken des Betriebshandbuches zu.
Das Betriebshandbuch ist die „Bibel“ eines jeden Meilers. Es befinden sich darin Angaben zu „situationsbedingt anzuwendenden Fahrweisen“ oder „verbindliche Anweisungen zur Ausführung von Schalthandlungen“ und es dient dem Personal daher als „wichtige Arbeitsgrundlage“, so die Atomaufsicht Schleswig-Holstein. Laut Betreiber Preußen Elektra (EON) wird das Handbuch „fortlaufend aktualisiert“. In Brokdorf wird auf ca. 16.800 Seiten den Bediener*innen dieses höchst komplexen Reaktor-Systems jeder Handgriff vorgeschrieben. Auch, um den Einfluss der „Fehlerquelle Mensch“ bei einem Störfall so gering wie möglich zu halten. Bei jeder erdenklichen Situation soll das Personal in dem Buch nachlesen können, wie zu reagieren ist. In der Vergangenheit sind diverse Reaktorunfälle auf Fehleinschätzungen und -bedienungen zurückzuführen - Beispiel Tschernobyl.
Dieses umfangreiche Handbuch wird natürlich in einem Textverarbeitungssystem auf einem Computer gepflegt. Damit es auch bei einem kompletten Stromausfall nutzbar bleibt, muss es ausgedruckt werden.
Die schleswig-holsteinische Atomaufsichtsbehörde hat kürzlich in zwei Kapiteln des gedruckten Buches fehlende Textpassagen festgestellt. In beiden Fällen hatten Ergänzungen des Textes zu Seitenumbrüchen geführt. Hierbei waren die betroffenen Textpassagen nicht auf die jeweiligen Folgeseiten übernommen worden - und fehlten damit in der ausgedruckten Fassung des Betriebshandbuchs.
Während der Betreiber vorgibt, dass die fehlenden Textzeilen „keine Auswirkungen auf den Anlagenbetrieb“ hätten, sieht die Atomaufsicht einen „systematischen Fehler“ und verordnet Meldepflicht: Es soll sich bei den betroffenem Kapitel um einen „Teil der Sicherheitsspezifikationen“ gehandelt haben.
Castor kommt - Informationspolitik auch schlampig
Bekanntlich soll ein Castor-Transport aus der britischen Wiederaufarbeitungsanlage in das Zwischenlager Brokdorf rollen. Deshalb lud die Bürgermeisterin Elke Göttsche betroffene Bürger*innen zu einem Infoabend in das AKW-Infohaus ein. Es kamen auch Vertreter des Bundesumweltministeriums, der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH und des Kraftwerkbetreibers - sie alle zeigten sich zufrieden, weil die Erwartungen nach umfangreicher Information „voll erfüllt“ worden seien.
Anwesende Kritiker*innen sprechen hingegen von einem „Greenwashing“ und bewerten die Veranstaltung anders: Die Antworten auf kritische Nachfragen seien „banal“ gewesen. Der Informationsstil erinnere an die Zeit, als um den Bau des Kraftwerks gestritten wurde: Es gäbe bei der Zwischenlagerung „kein Restrisiko“, alles sei heute und auch zukünftig sicher, die Einlagerung der Castoren sei „alternativlos“. Auch wenn die Lagerungsgenehmigungen für die Behälter nach 40 Jahren mangels eines Atommülllagers auslaufen und deshalb deutlich verlängert werden müssen, sei alles „kein Problem“. So hätten Kraftwerksbetreiber und Behördenmitarbeiter die Situation dargestellt. Diesen Stil bewertet der Grünen-Landtagsabgordnete Bernd Voß als einen „Rückfall in die 70er Jahre“.
Widerlegt wurden Darstellungen der Presse, dass der Atommülltransport schon in diesem Jahr stattfinden könnte. Die Planungen sehen vor, dass 2019 der Transport vom französischen La Hague in das AKW Philippsburg durchgeführt werden soll. Erst danach kommen die 21 Behälter aus England zurück nach Deutschland. Für Brokdorf wurde die Einlagerung im Zwischenlager im Herbst 2017 beantragt. In den Jahren 2020 bis 2022 sollen die Lieferungen zum AKW Isar, Biblis und Brokdorf erfolgen - eine Atommüllfuhre pro AKW und Jahr. In welcher Abfolge wurde nicht genannt.
Auch über den logistischen Ablauf wird noch geschwiegen. Klar ist, dass die Atommüll-Behälter mit dem Schiff aus Sellafield kommen werden. Wo sie entladen werden, ist noch unbekannt. Atomkraftgegner*innen diskutieren bereits Protest-Konzepte.
Kraftwerksbetreiber Preußen Elektra hat unterdessen „kontinuierliche und dauerhafte Informationen“ angekündigt. Künftig dann hoffentlich auch inhaltlich gehaltvoller als das seit 40 Jahren bekannte „Greenwashing“ der Atomlobby.
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13.03.2018 - Mit dem „Neustart“ der Suche nach einem Atommüll-Lager wurde auch vereinbart, dass ins Wendland vorerst keine Castor-Transporte mehr rollen sollen. Dafür werden 26 Behälter mit hochgiftigen Abfällen auf diverse Zwischenlager an AKW-Standorten verteilt. Die Transporte könnten schon in diesem Jahr beginnen. -
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Quellen (Auszug): preussenelektra.de, bgz.de, shz.de; 14./18./19.6.2018