Analyse | Das Nationale Begleitgremium (NBG) hat die Aufgabe, Vertrauen in das Standortsuchverfahren für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager zu schaffen. Betroffene sollten darauf nicht hereinfallen.
Wer sich mit dem Suchverfahren für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager in Deutschland näher beschäftigt, stößt früher oder später auf ein Gremium, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat: das Nationale Begleitgremium (NBG).
Im November 2016 benannten Bundestag und Bundesrat sechs „anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ für das NBG. Ergänzt werden sie durch drei sogenannte Bürgervertreter*innen, gewählt aus einer Gruppe von 120 per Zufall aus dem Telefonbuch ermittelten Menschen. Vorsitzende des insgesamt neunköpfigen Gremiums sind der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs. Weitere neun Mitglieder kommen im Sommer 2018 dazu, wenn Bundesrat und Bundestag noch einmal sechs Personen benennen und weitere drei Zufallsbürger*innen ausgewählt werden.
Das NBG kann viel reden – muss aber nicht gehört werden
In einem wirklich partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren wäre ein unabhängiges, beratendes und kontrollierendes Gremium mit Sicherheit ein unverzichtbares und zielführendes Element. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) wird diesen Ansprüchen an das Verfahren jedoch in keiner Weise gerecht; daran könnte selbst ein noch so gut aufgestelltes,
engagiertes und kritisches Begleitgremium nichts ändern.
Denn trotz eines direkten Kommunikationsdrahtes zu den Behörden, erweiterter Informationszugänge, des Rechts auf wissenschaftlichen Beistand, finanzieller Mittel und öffentlicher Stimme: das Nationale Begleitgremium hat ebenso wie die Betroffenen keinerlei Mitbestimmungs- oder Vetorechte.
Da zwölf Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums vom Bundestag und vom Bundesrat ausgewählt werden, besteht außerdem direkter politischer Einfluss auf die Zusammensetzung des Gremiums. Für die im Sommer 2018 anstehende Erweiterung werden hinter den Kulissen bereits Namen gehandelt, die darauf deuten, dass einzelne Bundesländer sich eine direkte Interessenvertretung im NBG installieren wollen.
Der Bundestag hat das Gremium nicht ins StandAG geschrieben, um die Standortsuche durch ein kritisches Element zu bereichern – das würde Mitbestimmungsrechte und ein unabhängiges Wahlverfahren voraussetzen. Seine Funktion ist die Legitimation des Standortauswahlverfahrens in der Öffentlichkeit. So schreibt das Atommüll-Bundesamt BfE: „Das NBG hat die Aufgabe, die Standortsuche und den Beteiligungsprozess konstruktiv zu begleiten und somit zusätzlich Vertrauen in das Auswahlverfahren zu fördern. Es kann Fragen stellen und Stellungnahmen abgeben.“ Auch im Gesetz steht als ausdrückliches Ziel des NBG, „Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen“. Die Gesetzesbegründung ergänzt noch, dass das Gremium die „Umsetzung des Beteiligungsverfahrens im Standortauswahlverfahren bis zur Standortentscheidung unterstützen“ solle. Das NBG hat also streng genommen nicht einmal das Mandat, das Beteiligungsverfahren zu kritisieren, denn es soll ja nur dessen Umsetzung unterstützen.
Puffer zwischen Betroffenen und Entscheider*innen
Besonders kritisch sehen auch die Mitglieder selbst ihre Rolle nicht. Jurina Suckow, als Vertreterin der jungen Generation dabei, erklärte etwa in einem Interview mit der „taz“: „So ganz klar ist mir meine Rolle noch nicht, um ehrlich zu sein. (…) Zumal ich ein Neuling auf dem Gebiet der Endlagersuche bin. (…) Aber ich stehe hinter dem Prozess.“ Auch andere Mitglieder äußern sich immer wieder öffentlich, dass sie es als ihre Aufgabe sehen, Vertrauen zu schaffen. Doch ein Gremium, das Vertrauen in ein ungeeignetes und unfaires Verfahren schaffen soll und will, ist nichts anderes als ein Feigenblatt oder eine PR-Maßnahme.
Das NBG dient auch als Puffer möglicher Konflikte zwischen den staatlichen Institutionen, die die Entscheidungen fällen, auf der einen und der Bevölkerung auf der anderen Seite. Statt dass sich Betroffene direkt an die Behörden oder die Politik wenden, hoffen sie nun möglicherweise, dass sich das NBG ihrer Fragen und Bedenken annimmt. Doch selbst wenn das passieren sollte, wird es am Ende versanden, weil das Begleitgremium keinen echten Einfluss hat.
Erster Anschauungstest dafür war eine Veranstaltung im Januar 2018 in Karlsruhe zur Frage, was aus den Zwischenlagern wird, da ein Tiefenlager nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen wird: Auf der einen Seite profilierte sich das Gremium auch in der atomkritischen Öffentlichkeit damit, das heiße Thema anzupacken. Auf der anderen Seite holte es sich beim zuständigen Atommüll-Bundesamt (BfE) und beim Chef der neuen Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), Staatssekretär Jochen Flasbarth, einen Korb. Das BfE sprach dem NBG schlicht die Zuständigkeit für das Thema ab, und Flasbarth weigerte sich sogar, an der Veranstaltung überhaupt nur teilzunehmen. Inzwischen hat BfE-Chef Wolfram König seine Vorstellungen für die Zukunft der Zwischenlagerung öffentlich vorgestellt. Von den Anregungen des NBG ist darin nichts zu finden.