Mit einem Fehlstart hat das norddeutsche Atomkraftwerk Brokdorf seine neue Saison begonnen. Nach dem Ende der jährlichen Wartung wurde das Kraftwerk entgegen aller Kritik wieder in Betrieb genommen - und gleich wieder abgeschaltet.
Nach einer rund vierwöchigen Revision gab die schleswig-holsteinische Atomaufsicht vergangene Woche grünes Licht für das Wiederanfahren des AKWs Brokdorf. Damit konnte Betreiber PreussenElektra (E.ON) in den 31. Betriebszyklus starten.
Doch nur zwei Tage später wurde der Meiler am Mittwochabend vorübergehend abgeschaltet. An einer Armatur im sekundären Kühlkreislauf der Anlage war eine defekte Dichtung festgestellt worden. Für die nötige Reparatur musste das Kraftwerk außer Betrieb genommen werden. Mittlerweile ist Brokdorf wieder im Leistungsbetrieb.
Ursache für Oxydschichten weiter unklar
Im Fokus der Revision stand u.a. die systematische Untersuchung der Brennstäbe. Im letzten Jahr war aufgefallen, dass zahlreiche Hüllen stark korrodiert waren. Diese hohe Beschädigung der Oberflächen hatte bis dahin kein Experte vorhergesehen. Seit dem Fund wird Brokdorf mit nur noch 95 Prozent seiner Leistung betrieben. Zudem wurde die mittlere Kühlmitteltemperatur abgesenkt und die Lastwechselgeschwindigkeit halbiert.
„Sowohl die Atomaufsicht als auch der Betreiber geben zu: Niemand kennt genau die Ursachen für die Oxidationen an den Brennelementen“, so Karsten Hinrichsen von der Initiative „Brokdorf Akut“.
Der Betreiber habe aber ermittelt, dass es „keine Hinweise auf ein Fortschreiten der Oxidation im oberen Brennstabbereich“ gebe. Die Atomaufsicht bewertet die ergriffenen Maßnahmen deshalb als „wirksam“ und will sie fortführen.
Brokdorf ist eine tagtägliche Gefahr
Atomkraftgegner*innen hatten vor dem Wiederanfahren darauf hingewiesen, dass der Meiler „eine tagtägliche Gefahr für die ganze Region“ ist. Die Ablagerungen an den Brennstäben erhöhen das Risiko, dass hochradioaktive Spaltprodukte entweichen.
„Sein Atomstrom ist gefährlich und überflüssig. Es wäre ein deutlicher Sicherheitsgewinn für ganz Norddeutschland und gut für die Energiewende, wenn der Reaktor dauerhaft abgeschaltet bliebe.“
Die Aktivist*innen von „Brokdorf Akut“ warnen vor einem schweren Unfall: Das Anwachsen der Oxidschicht an den Brennstäben könne nicht – wie es in den Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke gefordert wird – auf 17 Prozent der Hüllrohrdicke begrenzt werden. Bei einem Kühlmittelverlust-Störfall könnten so mehr als 10 Prozent der Brennstäbe zerbrechen. Die Folgen können Kühlmittelblockaden, Reaktivitätsstörfälle und Dampfexplosionen sein, die in katastrophalen Nuklidfreisetzungen münden.
Anlässlich des 32. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl protestierten mehrere hundert Menschen vor dem AKW für die sofortige Stilllegung. Brokdorf darf laut Gesetz noch bis Ende 2021 Strom produzieren.
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Quellen (Auszug): brokdorf-akut.de, ausgestrahlt.de, schleswig-holstein.de, heise.de, preussenelektra.de; 28.3./1.,3.5.2018