Über den Hamburger Hafen wird regelmäßig radioaktives Material für Atomkraftwerke in alle Welt und aus aller Welt transportiert. Praktisch wöchentlich werden hier Atomfrachten abgewickelt. Im vergangenen Jahr wurden etwa 300 Tonnen Kernbrennstoffe umgeschlagen. Es sollen künftig weniger werden.
Für den Betrieb von Atomkraftwerken ist der Transport von zahlreichen radioaktiven Stoffen und Kernbrennstoffen erforderlich. Rund 150 Atomtransporte wurden 2017 über den Hamburger Hafen abgewickelt. Dabei handelte es sich um neue Brennelemente, angereichertes Uranhexafluorid oder Uran-Pellets. Die Gesamtmenge der durch Hamburg beförderten Kernbrennstoffe betrug mehr als 780 Tonnen. Sonstige radioaktive Stoffe wie Uranerzkonzentrat und nicht angereichertes UF6 schlugen im gleichen Zeitraum mit mehr als 8.034 Tonnen (Bruttomasse) zu Buche.
Hamburg ist ein Drehkreuz für Uran
Atomkraftgegner*innen sorgten in der Vergangenheit mit zahlreichen Protestaktionen und spektakulären Blockaden für öffentliche Aufmerksamkeit für die in der Regel geheim stattfindenden Transporte. Besonders der Brand auf der „Atlantic Cartier“ im Jahr 2013, die auch Uranhexafluorid an Bord hatte, sorgte für ein Umdenken in der Politik. SPD und Grüne in der Hamburger Bürgerschaft vereinbarten im Koalitionsvertrag von 2015 das Erwirken eines „freiwilligen Verzichts“ der Privatfirmen für künftige Kernbrennstofftransporte.
Zwei der größten und wichtigsten Firmen des Hafens haben sich nun darauf verständigt, künftig auf den Umschlag von Kernbrennstoffen in Hamburg zu verzichten. In einem Schreiben der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sowie der größten deutschen Reederei Hapag-Lloyd, unterzeichnet von jeweils zwei Vorstandsmitgliedern, teilen die Unternehmen mit, dass sie freiwillig darauf verzichten werden, „künftig Kernbrennstoffe im Sinne von Paragraf 2 Absatz 1 Atomgesetz in Hamburg umzuschlagen“.
Wichtig zu wissen: Seit 2012 ist die Hamburgische Bürgerschaft mit 39,6 Prozent größter Einzelaktionär der Hapag-Lloyd AG. An der HHLA hält die Hansestadt Hamburg eine Beteiligung von etwa 68 Prozent.
Laut Hapag-Lloyd bedeute dieses Entgegenkommen an den Senat aber nicht, dass der Konzern ganz und gar auf den Transport der radioaktiven Ladung verzichten wird. Es könne sogar passieren, dass ein Schiff mit radioaktiver Ladung in den Hamburger Hafen einläuft. Nur umgeschlagen wird sie hier nicht mehr.
Radioaktive Ladung wurde in der Vergangenheit oft am Süd-West Terminal der Gruppe C. Steinweg verladen. Von dort gibt es bisher keine Verzichtserklärung.
„Wir werden mit den anderen betroffenen Hafenunternehmen nun ebenfalls Gespräche führen“, so Wirtschaftssenator Frank Horch. Insbesondere mit dem zweiten großen Terminalbetreiber im Hamburger Hafen, Eurogate, wolle er reden.
Vor allem heiße Luft!
Die Verzichtserklärungen seien „ein kleines Zugeständnis, aber noch lange kein Durchbruch“ in der Auseinandersetzung um die Sperrung des Hafens für sämtliche Atomtransporte, antworten die Organisationen ContrAtom und ROBIN WOOD. Praktisch würden die Transporte, auf die jetzt freiwillig verzichtet werden soll, nur etwa zehn Prozent der durch Hamburg beförderten radioaktiven Stoffe ausmachen.
Der Verzicht umfasst nur Kernbrennstoffe laut Atomgesetz. Nicht verzichtet wird auf den Umschlag von Uranerzkonzentrat und nicht angereichertem Uranhexafluorid, beides sind Zwischenprodukte auf dem Weg zur Produktion von Brennelementen für Atomkraftwerke.
- Hapag-Lloyd beförderte 2017 etwa 3.000 Tonnen (Bruttomasse) nicht angereichertes Uranhexafluorid in 12 Transporten, aber kein einziges Mal Kernbrennstoffe.
- Viele der über das HHLA-Terminal Altenwerder abgewickelten Atomtransporte werden weiter gehen, weil es sich dort vorwiegend um nicht angereicherte radioaktive Stoffe handelt, insbesondere um Uranhexafluorid und um Uranerzkonzentrat.
Hotspot Rostock: Hunderte Atomtransporte über Autofähren
Laut einer Antwort der Bundesregierung nach einer Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter der Linken wurden seit dem Jahr 2011 über 400 Atomtransporte über die Häfen Rostock und Hamburg abgewickelt. Etwa 300 der Transporte liefen über Autofähren, häufig reguläre Ostsee-Passagierfähren. Hotspot war der Hafen in Rostock - über ihn gingen 321 Verschiffungen. Am häufigsten wurden Fähren der Linien Scandlines und Stena genutzt.
Die Fährschiffe „Mecklenburg-Vorpommern“ und „Skåne“ sind für Gefahrguttransporte der Klasse 7 (radioaktive Stoffe) zugelassen, bestätigt die Fährgesellschaft Stena Line. „Für Uranhexafluorid gelten keine besonderen Anforderungen“, heißt es in der Drucksache 19/1091 der Bundesregierung.
Vor allem bei den Transporten von Uranhexafluorid haben Atomkraftgegner*innen große Sicherheitsbedenken. Sollte es zu einem Brand an Bord einer Passagierfähre kommen, die Uranhexafluorid an Bord hat, wären viele Menschen in Gefahr. Schon eine leichte Erwärmung sorgt für den Übergang des Stoffes in die gasförmige Phase. Bersten dann Behälter, wird der stark ätzende und radioaktive Inhalt frei.
Ein Anfang
Wegen dieser Fakten sprechen Atomkraftgegner*innen nach den Verzichtserklärungen in Hamburg von einem „Anfang“. Man werden aber „weiter dran bleiben“ und sich für den Stopp aller Transporte einsetzen.
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25.04.2017 - Anders als der rot-grüne Senat in Hamburg es versprochen hatte, steigt die Anzahl der Atomtransporte durch den dortigen Hafen an. Atomkraftgegner*innen nahmen das kürzlich zum Anlass für eine spektakuläre Aktion.
Quellen (Auszug): robinwood.de, welt.de, abendblatt.de, hubertus-zdebel.de, Bundesregierung Drucksache 19/1091, spiegel.de; 27.,29.3./11./12.4.2018