Weil sie auf massive Sicherheitsrisiken der französischen Atomkraftwerke aufmerksam machten, müssen jetzt zwei Aktivist*innen ins Gefängnis. Gleichzeitig ereigneten sich in Cattenom die nächsten Störfälle.
In einer vertraulichen Studie zeigte Greenpeace im Oktober letzten Jahres große Sicherheitsprobleme in französischen AKW auf. Die Abklingbecken, in denen direkt neben dem Reaktor die verbrauchten Brennelemente gelagert werden, seien „besonders gefährdet durch etwaige Angriffe von außen“. Anders als in Deutschland liegen sie außerhalb des verstärkten Betonschutzmantels des Reaktorgebäudes. Nur dünne Betonwände beherbergen „das Radioaktivste, was ein AKW zu bieten hat“. Eine ständige Kühlung ist zwingend nötig, sonst könnte es durch die enorme Abwärme zu einer Wasserstoff-Explosion kommen. Hochradioaktive Substanzen wie Cäsium, Uran und Plutonium würden großflächig freisetzt.
Eine Gefahr, die „seit Jahren wachse und spätestens nach den Terroranschlägen von Berlin, Paris und Brüssel nicht mehr von der Hand zu weisen“ sei, urteilt Greenpeace. Es gebe bis heute keine Anzeichen dafür, dass die Behörden oder der Betreiber die Sicherheitslücken beheben wollen, so Yannick Rousselet, Experte für Atomkraft bei Greenpeace Frankreich.
Um die Ergebnisse der Studie zu unterstreichen, kletterten am 12. Oktober 2017 mehrere Aktivist*innen über den Zaun des grenznahen AKW Cattenom und entzündeten in der Nähe des Abklingbeckens Leucht-Feuerwerk.
„Was wir gemacht haben, ist harmlos im Vergleich zu den Risiken, die der Betreiber eingeht, indem er die Abklingbecken unbeaufsichtigt lässt“, bekräftigten Aktivist*innen ihre Aktion.
Zwei der acht Aktivisten wurden am Dienstag vom Strafgericht Thionville zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, sechs weitere erhielten fünf Monate Gefängnis auf Bewährung. Das gleiche Urteil erging an Kampagnenchef Yannick Rousselet, während der Geschäftsführer von Greenpeace France, Jean-François Julliard zu einer Geldstrafe von 20 000 Euro verurteilt wurde. Den Aktivist*innen wurde unbefugtes Eindringen auf das AKW-Gelände sowie Sachbeschädigung vorgeworfen. Greenpeace erklärte, man werde gegen das Urteil in Berufung gehen.
Frankreich macht mobil für seine alten Meiler
Es ist ein hartes Urteil, erst vor zwei Jahren hatte Frankreich die Strafen für unerlaubtes Eindringen in Atomanlagen drastisch verschärft. Potentielle Attentäter wird das nicht aufhalten. Sehr wohl dient es als Abschreckung für alle diejenigen, die auf Sicherheitsprobleme aufmerksam machen wollen. Es passt zu der politischen Entscheidung, dass die französische Regierung vor einigen Monaten den Atomausstieg verschoben hat um die eigenen Klimaschutzziele „nicht zu gefährden“.
Gleichzeitig die nächsten Störfälle
Zeitgleich zu den Verurteilungen kam es im Pannenmeiler Cattenom zu den nächsten Störfällen. Gleich zwei Mal musste die Feuerwehr ausrücken. Am Dienstagnachmittag brannte auf einer Baustelle ein elektrischer Schaltschrank. Am Mittwochmorgen wurde Brandgeruch in einem Elektroraum wahrgenommen. Die Feuerwehr stellte fest, dass sich Kabel erhitzt hatten.
Frankreich hängt am Import-Tropf
Weil Frankreich weiterhin auf alte und immer öfter ausfallende Atomkraftwerke setzt, ist die Stromversorgung im Zuge der Kältewelle „akut angespannt“. Etwa zehn AKW sind derzeit vom Netz, die Stromimporte nach Frankreich stiegen auf über 9.000 Megawatt - und damit auf Rekordwerte.
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Quellen (Auszug): iwr.de, wort.lu, greenpeace.de, greenpeace.fr, 22./28./29.2.2018