Was passiert mit einem Reaktorgebäude, wenn eine vollgetankte Passagiermaschine in ein Atomkraftwerk stürzt?
Wegen eines unterbrochenen Funkkontakts zu einem Flugzeug im deutschen Luftraum ist am Montagvormittag das Atomkraftwerke Grohnde geräumt worden. Es wurde Luftsicherheits-Alarm ausgelöst. Kampfflugzeuge stiegen auf, um die Maschine der Lufthansa abzufangen. Nach wenigen Minuten stellte sich glücklicherweise heraus, dass der Pilot einen falschen Alarm-Code gesendet hatte.
Die Betreiber beharren darauf, dass die Reaktorhüllen ihrer Meiler selbst bei einem „Volltreffer“ durch ein Verkehrsflugzeug intakt bleiben würde. Kritiker*innen zweifeln daran. Doch das Reaktorgebäude muss gar nicht komplett zerstört sein, um im Betrieb der Anlage zu größeren Problemen zu führen.
„Die Wucht eines Aufpralls allein bewirkt innen so viel Zerstörung, dass die Funktionalität der Anlage nicht mehr gewährleistet ist“, so Heinz Smital, Kernphysiker und Anti-Atom-Campaigner bei Greenpeace Deutschland.
„Renegade-Alarm“
Vorfälle der Art „Renegade“ (in der Luftfahrt: „Verwendung eines Verkehrsflugzeuges als Waffe“) geschehen öfter als man denkt. 2003, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, wurde diese Maßnahme in Deutschland eingerichtet. Laut Bundespolizei ist ein solcher Renegade-Voralarm „eher selten“. Eine Anfrage der LINKEN im Bundestag offenbarte allerdings: Die Sicherheitsbehörden hatten zwischen 2010 und März 2017 schon sechs Mal den Renegade-Voralarm für deutsche Atomkraftwerke auslösen müssen. In allen Fällen war der Funkkontakt zu Flugzeugen abgerissen.
In die Öffentlichkeit drangen die Ereignisse überhaupt erst, als Aktivist*innen im März 2017 die Zufahrtswege des AKW Brokdorf besetzten. Sie protestieren gegen den Weiterbetrieb des Kraftwerks, dass damals zur Revision heruntergefahren war. Plötzlich wurde „Renegade-Voralarm“ ausgelöst und das Atomkraftwerk evakuiert. Der Funkkontakt zu einer Maschine der Fluglinie Air India war abgebrochen. Der Alarm galt 22 Minuten, Abfangjäger der Luftwaffe stiegen auf und begleiteten den Flieger. Neben Brokdorf wurden die norddeutschen Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel, Grohnde, Lingen und Unterweser bis auf eine Notbesatzung geräumt.
Daraufhin forderten Atomkraftgegner*innen die Stilllegung u.a. des AKW Grohnde. Dieser Vorfall habe gezeigt, „dass die Behörden konkret von der Gefahr einer Katastrophe ausgegangen sind, während die Atomaufsicht Hannover terroristische Flugzeugabstürze lediglich als abstrakte Gefahr bezeichnet", so Karsten Schmeißner vom Klimaforum Detmold. Solange ein Sicherheitsnachweis für das AKW nicht existiere, dürfe ein Weiterbetrieb nicht zugelassen werden.
„Große Masse, hohe Geschwindigkeit, viel Kerosin“
Passend zu dieser Problematik haben unsere schweizerischen Mitstreiter*innen von „Mensch und Atom“ den zweiten Teil einer Artikelreihe veröffentlicht, die sich mit der Terrorgefahr auf Atomkraftwerke beschäftigt: „Große Masse, hohe Geschwindigkeit, viel Kerosin“
weiterlesen:
- Flugzeugabstürze – Kein AKW ist geschützt
Kein deutsches Atomkraftwerk ist umfassend gegen den Absturz eines mittelgroßen Flugzeuges ausgelegt. Das stellt ein ehemaliger technischer Experte der Bundesatomaufsicht in einer gutachterlichen Stellungnahme fest. Die Folgerung daraus kann nur sein, alle AKW abzuschalten!
Quellen (Auszug): dewezet.de, graswurzel.tv, zeit.de, lz.de, noz.de; 10.,21.3., 24.4.2017 / 19.2.2018