Seit Jahresanfang hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) die Verantwortung für das marode Atommülllager Morsleben in Sachsen-Anhalt übernommen. Dort lagern tausende Fässer mit radioaktivem Müll in einem Bergwerk. Derzeit wird es wegen Einsturzgefahr verfüllt. In einer ersten Stellungnahme der BGE heißt es nun: Der Atommüll sei „radiologisch nicht nachweisbar“.
Bis 1998 wurden in das DDR-Bergwerk schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert, nach der Wiedervereinigung auch große Mengen aus westdeutschen Atomanlagen. Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel ignorierte in den 1990er Jahren Expertenwarnungen, die die Standsicherheit der ehemaligen Kaligrube bezweifelten. Es gebe „kein Sicherheitsdefizit“, schrieb Merkel am 8. Juni 1995 an das Landesumweltministerium Sachsen-Anhalt.
Ein Gerichtsurteil konnte die weitere Verklappung von strahlenden Abfällen 1998 stoppen. In mehreren Einlagerungskammern befinden sich nun rund 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Darunter auch ein als hochradioaktiv klassifiziertes Radium-Fass und weitere hochaktive Strahlenquellen. Das Lager muss laufend aufwendig stabilisiert werden, weil es inzwischen als stark einsturzgefährdet gilt.
Atommüll bleibt drin
Im Gegensatz zur Asse-2, wo bekanntlich die Bergung des Atommülls versprochen wurde, soll Morsleben zubetoniert werden. Im Planfeststellungsverfahren für die Schließung beschreibt der vorherige Betreiber Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), es könne Langzeitsicherheit dadurch hergestellt werden, dass um die, im weit verzweigten Bergwerk verstreuten Kammern mit Atommüll sogenannte „Dämmbauwerke“ errichtet werden. Der eingelagerten Atommüll würde damit für immer unter Tage bleiben.
Mehr als 13.000 Einwendungen wurden 2009 gegen diese Pläne erhoben. Kritiker*innen wiesen auf Probleme hin, die vergleichbar mit der Asse-2 sind: Das Anfang des letzten Jahrhunderts zur wirtschaftlichen Nutzung errichtete Bergwerk ist nicht dicht, Wasser tropft hinein. Dadurch entstehen Wegsamkeiten, über die langfristig Radioaktivität in die Biosphäre gelangen kann.
Der Betreiber setzt nicht auf die Geologie, sondern auf künstlich errichtete Bauwerke, die den Atommüll dauerhaft abschirmen sollen. Das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt (MLU) forderte zur Erteilung einer Stilllegungs-Genehmigung nicht nur ein Konzept für die Schließung, sondern auch die konkrete Ausführungsplanung. Die Funktion der Streckenverschlüsse unter Tage sollten praktisch nachgewiesen werden. Dieser Nachweis gelang dem BfS in einem ersten Großversuch 2011 allerdings nicht. Seitdem herrscht Stillstand.
Die Entsorgungskommission des Bundes forderte Jahre später, dass die „weithin spekulativen Langzeitsicherheitsbetrachtungen“ mit Fakten unterlegt werden sollten. Das vorgesehene Abdichtungskonzept „sei gescheitert“.
Radiologisch „nicht nachweisbar“
Das seit Jahresanfang zuständige BGE knüpft kompromisslos an die Darstellungen des BfS an. Das ehemalige Salzbergwerk Morsleben entspräche zwar nicht den „heutigen Kriterien an ein Endlager“, könne aber „gemäß den gesetzlichen Regelungen langfristig sicher stillgelegt werden“.
Ende Dezember hatte Ursula Heinen-Esser, CDU-Politikerin und neue Chefin der BGE, auch schon bekannt gemacht, was bisher das Problem war: Anstelle der „in den vergangenen Jahrzehnten gewachsenen, komplizierten Struktur bei Planung, Bau und Betrieb der Endlagerprojekte“ müssten künftig auch bei Aufbau und Zuständigkeit „klare Verhältnisse“ herrschen.
Vom Betreiber werden alle Abgaben radioaktiver Stoffe gemessen. Partikel könnten über die Abluft, die aus der Frischluftversorgung des Bergwerks stammt, und über Abwässer in die Umwelt gelangen. Im Gegenteil zur Asse-2, wo täglich verseuchtes Wasser abgepumpt werden muss, heißt es im Jahresbericht der Umgebungsüberwachung für das Berichtsjahr 2016, der nun erstmals vom BGE veröffentlicht wurde, dass der Atommüll „radiologisch in seiner Umgebung nicht nachweisbar ist“.
Atomkraftgegner*innen fordern Rückholung des Mülls
Schon im Juli letzten Jahres hatte die Bürgerinitiative Morsleben kritisiert, dass bei der geplanten Stilllegung des Atommülllagers einige Jahre „ergebnislos verstrichen“ seien. In einem Schreiben an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks fordern die Aktivist*innen nun die Einberufung einer Morsleben-Konferenz zur öffentlichen Begleitung des Stilllegungsverfahrens.
„Das Atommülllager vor den Toren Helmstedts steht trotz eines jahrelangen Stilllegungsverfahrens immer noch ohne tragfähigen Plan für die Schließung da“, so Andreas Fox, Sprecher der Initiative.
Gelingt der Nachweis der Langzeitsicherheit in Morsleben nicht, steht die Rückholung der 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfälle an.
Infoveranstaltung zur aktuellen Situation
Die Bürgerinitiative Morsleben lädt am kommenden Donnerstag (18. Januar) zu einem Informationsabend ein:
BI-Informationsabend
Donnerstag, 18. Januar 2018 ab 18.00 Uhr
Gemeindezentrum St. Christophorus
Calvörder Straße 1a, 38350 Helmstedt
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Quellen (Auszug): helmstedter-nachrichten.de, bge.de, ag-schacht-konrad.de, 31.7.2017/2./15.1.2018