Seit Jahresanfang wird Gorleben offiziell nicht mehr erkundet sondern „nur noch“ für ein künftiges Atommüll-Lager „offen gehalten“. Atomkraftgegner*innen schlagen nun ein Mahnmal für die verkorkste Suche vor.
Seit dem 1. Januar 2018 ist das Bergwerk, das Aktivist*innen gern mit „Schwarzbau“ titulieren, in den sogenannten Offenhaltungsbetrieb übergegangen. In den letzten 30 Jahren sind ohne ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren unter dem Deckmantel der „Erkundung“ mehr als 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau der Salzstollen zu einem Atommülllager investiert worden. Es galt offiziell als „eignungshöffig“. Nun heißt es von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die seit der Neuordnung der Behörden im Bereich der Atommüllentsorgung für Gorleben zuständig ist: „Der Erkundungsbereich wird außer Betrieb genommen und abgesperrt“.
Etwa 20 Mitarbeiter*innen werden in der Anlage bleiben, um sich um die Offenhaltung des Bergwerks zu kümmern. Sie sollen künftig „gegebenenfalls auftretende Schäden beseitigen“. Die vorerst letzte Befahrung des Bergwerks durch die Öffentlichkeit hatte am 19. Dezember stattgefunden. Im Frühjahr wird mit dem Abbau der symbolträchtigen Betonmauer um das Bergwerk begonnen. Was bleiben soll ist ein Zaun, wie „für Industrieanlagen üblich“.
Vor 30 Jahren kaum vorstellbar
Als vor rund 30 Jahren, im März 1986, das Abteufen des ersten Schachtes begann, hätte sich diesen Zustand niemand vorstellen mögen, bilanzieren nun Atomkraftgegner*innen im Wendland bei ihrem traditionellen „Neujahrsempfang“ an den Atomanlagen. So sehr schien alles auf Gorleben als Atommülllager-Standort zuzulaufen. Bekanntlich wurden über 100 Castor-Behälter Jahr für Jahr dorthin gebracht, mit jedem Transport in die Zwischenlagerhalle der Atommüll-Standort zementiert.
Es „erfüllt uns auch mit Stolz, wenngleich wir im Jahr 2018 sofort wieder darauf verweisen müssen, dass sich der Endlagerstandort Gorleben nicht erledigt hat“, kündigt Wolfgang Ehmke, Pressesprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, vor dem Bergwerk an. Schon bei den Ausschlusskriterien für ein Atommüllendlager, die jetzt von den Behörden definiert werden, werde deutlich, dass es nicht allein um die reine Wissenschaft, sondern um „politische Vorgaben“ gehe, so Ehmke. „Sonst wäre der Salzstock Gorleben mit einem Einbruchsee darüber schon jetzt aus dem Suchverfahren raus.“
Die Kritiker*innen sehen in dem derzeitigen Verfahren daher eine Taktik um Zeit zu gewinnen, wieder Ruhe im Wendland einkehren zu lassen. Zuletzt beteiligten sich zehntausende Menschen an Protesten, die sich auf die Castor-Transporte fokussierten. Das Urteil der Niedersächsischen Landesregierung von 1979, der Bau einer großen Atomanlage sei „politisch nicht durchsetzbar“, wiederholte sich - wenn auch unausgesprochen.
„Denkmal-Nach“
Mit Blick auf den geplanten Rückbau der festungsartigen Mauer rund um das Bergwerk stellte die BI am Neujahrsempfang die Idee vor, ein Mauersegment mit den Anti-Atom-Graffitis stehen zu lassen. Es solle als Mahnmal für die verkorkste Suche nach einem Atommülllager dienen. Aber auch als „Denkmal-Nach“. Schließlich bliebe unter Tage die Kerninfrastruktur erhalten, um aus dem Stillstand sofort wieder mit den Plänen, dort hochradioaktiven Müll versenken zu können, fortzufahren.
„Eigentlich soll ja auch der Widerstand schlafen gelegt werden“, so Ehmke in einem Interview in der taz. „Das gelingt nicht, wir sind hellwach.“
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Im März 2017 beschloss der Bundestag ein neues Standortauswahlgesetz (StandAG). Es definiert das Verfahren, mit dem nach einem langfristigen Lager für hochradioaktiven Atommüll gesucht werden soll. Ursprünglich sollte das StandAG einen „Neustart“ darstellen. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Quellen (Auszug): taz.de, bi-luechow-dannenberg.de; 3.1.2018