Atompolitik hat im Wahlkampf keine große Rolle gespielt. Und trotzdem muss die nächste Bundesregierung auf vielen Feldern atompolitisch umsteuern. .ausgestrahlt hat zusammengetragen, was notwendig ist.
Der langfristige Atomausstieg ist beschlossen, das Standortauswahl-Verfahren für ein Atommüll-Lager läuft an, die Atom-Finanzen sind geklärt, die Brennelementesteuer zurückgezahlt. Sieht so aus, als wären die großen atompolitischen Baustellen vom Tisch. Parteipolitiker*innen sagen dann gerne: „Das Thema ist abgeräumt“. .ausgestrahlt sagt: Es gibt viel zu tun!
Wir sehen für die kommende Legislaturperiode eine Menge atompolitischer Themen auf der Agenda. Zum einen, weil wir mit bestehenden Beschlüssen nicht einverstanden sind. Zum anderen, weil immer noch vieles offen ist. Deshalb haben wir unsere Forderungen an die nächste Bundesregierung hier zusammengestellt.
Wichtig zu wissen: In der neuen Legislaturperiode (bis Herbst 2021) sollen laut Atomgesetz nur zwei von acht noch laufenden AKW vom Netz gehen: Gundremmingen B Ende 2017 und Philippsburg 2 Ende 2019. Zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2021 wären also immer noch sechs AKW in Betrieb.
.ausgestrahlt fordert:
A. Sofortausstieg
Unsere „stärkste“ Forderung: Alle acht noch laufenden Atomkraftwerke sofort abschalten, denn sie werden zur Stromversorgung nicht mehr benötigt und stellen eine massive Bedrohung dar, die mit dem zunehmenden Alter der Anlagen ständig wächst. Die Regierung könnte also das Risiko neu bewerten und die Laufzeiten im Atomgesetz auf Null verkürzen. Dieses Recht hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember ausdrücklich bestätigt. Für diesen Weg fehlt allerdings in der sich abzeichnenden „Jamaika“-Koalition zwischen Union, FDP und Grünen der politische Wille.
B. Rahmenbedingungen erschweren
Doch auch unterhalb der Schwelle des Sofortausstiegs kann die kommende Bundesregierung an vielen Stellschrauben drehen. Mit folgenden Maßnahmen könnte der Betrieb der AKW teilweise deutlich verkürzt werden, selbst ohne die Abschalt-Termine im Atomgesetz zu ändern.
1. Gundremmingen
Der Bund muss die bayerische Atomaufsicht anweisen, beide Blöcke im AKW Gundremmingen stillzulegen, weil das Notkühlsystem gravierende Mängel hat.
2. Atomaufsicht
Die Atomaufsichten in Bund und Ländern müssen bei Sicherheitsmängeln konsequenter vorgehen und Reaktoren nicht wieder ans Netz lassen, solange Schwachstellen nicht vollständig ausgeräumt sind.
3. Flugzeugabsturz
Der Betrieb jedes AKW muss von den Aufsichtsbehörden untersagt werden, solange der Nachweis fehlt, dass das Kraftwerk den Absturz eines großen Passagierflugzeugs aushält.
4. Reststrommengen
Die Übertragung von Stromproduktionsrechten („Reststrommengen“) von bereits abgeschalteten AKW auf noch laufende muss untersagt werden. Das würde von insgesamt noch geplanten 29 Reaktorbetriebsjahren 13 einsparen.
5. Brennelementesteuer
Die von 2011 bis 2016 erhobene Brennelementesteuer ist laut Bundesverfassungsgericht nicht rechtens gewesen. Der Staat musste das Geld an die AKW-Betreiber zurückzahlen. Ursprünglich erhoben wurde diese Steuer, um beispielsweise die Sanierung der havarierten Atommüll-Lager Morsleben und Asse zu finanzieren. Jetzt liegen diese wieder beim Staat und werden auch nicht durch den neuen Atommüll-Fonds abgedeckt. Deshalb braucht es eine neue verfassungskonforme Brennelementesteuer oder eine ähnliche Abgabe.
6. Abregelung
Eigentlich haben Erneuerbare Energien Einspeisevorrang. In der Praxis aber werden regelmäßig Windkraftwerke vom Netz genommen, weil AKW in der Regel der volle Leistungsbetrieb gewährt wird. Die Reaktoren werden trotz absehbarer Energieüberhänge nicht rechtzeitig vom Netz genommen. Das muss verboten werden. Auch darf es keinen Schadensersatz mehr für AKW-Betreiber geben, wenn ihre Reaktoren wegen absehbaren „Staus auf der Stromautobahn“ abgeregelt werden müssen.
7. Haftpflicht
Es muss eine Haftpflichtversicherung mit unbegrenzter Deckung für Atomkraftwerke eingeführt werden.
C. Es gibt nicht nur AKW
8. Gronau, Lingen, Forschungsreaktoren
Neben den Atomkraftwerken gibt es noch weitere laufende Atomanlagen. Die Atomfabriken in Lingen und Gronau und die Forschungsreaktoren müssen stillgelegt werden.
9. Forschung
Insgesamt muss die Forschung für die weitere Nutzung der Atomkraft eingestellt werden. Forschung darf es nur noch zum Umgang mit Atommüll geben. Transmutations-Forschung ist keine Atommüll-Forschung, sondern Entwicklung der 4. Reaktor-Generation und muss deshalb eingestellt werden.
10. Euratom
Der Euratom-Vertrag muss gekündigt werden.
D. Atommüll
11. Standordauswahlgesetz
Das Standortauswahlverfahren muss grundlegend überarbeitet werden – mit echten Mitentscheidungsmöglichkeiten für die Betroffenen von Anfang an (also auch schon beim Verfahrens-Design).
12. Zwischenlager
Es braucht einen gesellschaftlichen Konsens zur Frage: Was wird aus den 17 Zwischenlagern für hochradioaktiven Müll? Sie sind für 40 Jahre genehmigt. Doch bis dahin wird es keinen langfristigen Lagerplatz geben. So lange es keine andere Lösung gibt, braucht es zumindest deutlich robustere Zwischenlager-Neubauten.
13. Schacht Konrad
Schacht Konrad in Salzgitter ist ungeeignet zur langfristigen Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle. Deshalb sollte das Projekt aufgegeben und ein gesellschaftlicher Verständigungsprozess begonnen werden, wie mit diesem Atommüll langfristig umgegangen werden soll.
14. Abriss
Der Abriss von Atomanlagen darf sich nicht an ökonomischen Interessen der Betreiber, sondern alleine am Sicherheitsinteresse der Bevölkerung orientieren. Die Öffentlichkeit muss umfassend an Entscheidungen zum Abriss beteiligt werden.
15. Freimessung
Keine „Freimessung“ von Atommüll. Lagerung der Abfälle auf dem Kraftwerksgelände.
16. Export
Kein Atommüll-Export, auch nicht aus den Forschungsreaktoren in Garching und Berlin und dem Versuchsreaktor in Jülich.
17. Transporte
Atomtransporte müssen vermieden werden, bis es langfristige Lagermöglichkeiten gibt.