AKW-Mitarbeiter*innen ohne Sicherheitsüberprüfung

30.08.2017 | Jan Becker

Beim Betrieb von Atomanlagen steht Sicherheit an erster Stelle, sagen Behörden und Betreiber. Doch was für Besucher*innen gilt, wurde bei einigen AKW-Mitarbeiter*innen nicht durchgeführt: eine Zuverlässigkeitsüberprüfung mit Datenabfragen bei den Sicherheitsbehörden.

Atomkraft: Sicher ist nur das Risiko!

Wer in einer Atomanlage arbeiten möchte, wird vorher überprüft. Egal ob als Mitarbeiter*in im Sicherheitsbereich oder im Wachschutz, es werden Auskünfte bei Sicherheitsbehörden wie den Landeskriminalämtern und den Verfassungsschutzbehörden eingeholt. Stichwort Terrorgefahr.

Schon für Besichtigungen von Atomanlagen müssen von Besucher*innen Wochen vor dem Termin personenbezogene Dokumente vorgelegt werden. Liegen den Sicherheitsbehörden irgendwelche Erkenntnisse vor, die dem Besucher/der Besucherin der Atomindustrie nicht freundlich gesonnene Tätigkeiten belegen (oder belegen könnten), bekommt man eine Absage. Ich wollte vor einigen Jahren das Zwischenlager in Gorleben besuchen, durfte es aber nicht. Die genauen Gründe für die Absage wurden mir nie mitgeteilt.

Eine solche Prüfung hat hingegen für einige Mitarbeiter*innen von Atomanlagen, darunter das Atomkraftwerk Philippsburg-2, nicht stattgefunden. Die Atomaufsicht in Baden-Württemberg spricht von „manipulierten Zuverlässigkeitsüberprüfungen“, die in der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) entdeckt worden seien. In mindestens 13 Fällen habe man bisher Manipulationen an Unterlagen festgestellt. Wie umfangreich die Manipulationen sind, werde „derzeit mit Hochdruck untersucht“, so das JEN.

Personen galten formal als zuverlässigkeitsüberprüft, obwohl eine Überprüfung seitens der Sicherheitsbehörden nicht stattgefunden hat.

Die Zuverlässigkeitsüberprüfungen sind fünf Jahre gültig. Wegen fehlender Verlängerungen wurden offenbar manipulierte Meldungen abgegeben, so Jörg Kriewel, Sprecher des Forschungszentrums Jülich. Mit sogenannten „Quermeldungen“ übermitteln Betreiber die Ergebnisse bereits amtlich durchgeführter Zuverlässigkeitsüberprüfungen bundesweit an andere Betreiber, woraufhin diese Personen dann auch in anderen Anlagen tätig werden können. An dieser Stelle wurde offenbar manipuliert, ausgerechnet vom JEN, das mit dem Slogan "Wir setzen Maßstäbe. Mit Sicherheit." wirbt.

Der zuständige Mitarbeiter im JEN wurde vom Dienst freigestellt. Ermittler haben mittlerweile seine Privatwohnung durchsucht. Dabei seien Beweismittel in Form von Speichermedien sichergestellt worden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Erkenntnisse über die Motive des Mannes lagen danach nicht vor.

Kein „terroristischer Hintergrund“

Die baden-württembergische Atomaufsicht, die dem Grünen Franz Untersteller untersteht, hat bestätigt, dass mindestens eine Person ohne Überprüfung im Sicherheitsbereich des AKW Philippsburg-2 gearbeitet habe. Die Behörde betont verharmlosend: Die betreffende Person sei nur „für wenige Tage“ im Bereich Radiologische Überwachung im inneren Sicherungsbereich tätig gewesen.

Gemeinsam mit dem JEN untersucht die Atomaufsicht nun alle Zuverlässigkeitsüberprüfungen der letzten fünf Jahre. Das JEN schließt einen „terroristischen Hintergrund nach derzeitigem Erkenntnisstand“ aus. Die Atomaufsicht betont, es gebe „keine Hinweise auf sicherheitstechnisch relevante Motive“.

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  • Ob technischer Defekt oder Flugzeugabsturz, Materialermüdung oder Unwetter, Naturkatastrophe oder menschliches Versagen – in jedem Atomkraftwerk kann es jeden Tag zu einem schweren Unfall kommen. Ein Super-GAU bedroht Leben und Gesundheit von Millionen. - mehr

Quellen (Auszug): jen-juelich.de, baden-wuerttemberg.de, zeit.de, 25.8.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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