Garchinger Atommüll ist ein „Sonderfall“

09.08.2017 | Jan Becker

Die Bundesregierung hat für den deutschen Atommüll eigentlich eine „Lösung“: Der geringer strahlende kommt in den Schacht Konrad, für den hochaktiven wird bis 2050 eine unterirdische Lagerstätte gefunden. Doch im Forschungsreaktor Garching stapelt sich Atommüll, bei dem dieses Konzept nicht greift.

Atommüllberg vs Endlagersuchgesetz.jpg

Die Forschungs-Neutronenquelle FRM II in Garching arbeitet mit hochangereichertem, waffenfähigen Uran-235. Diese abgebrannten Brennstäbe, die momentan im Abklingbecken des Reaktors lagern, sind „so nicht endlagerfähig“, warnt Ingrid Wundrak, Vorsitzende des Vereins „Bürger gegen Atomreaktor Garching“. Anlässlich des Besuchs von Mitgliedern des Nationalen Begleitgremiums am Garchinger Forschungsreaktor wies sie kürzlich erneut auf die Problematik hin, dass deshalb der illegale Export des Atommülls ins Ausland möglich wäre.

Dass es sich in Garching um einen „Sonderfall“ handelt und es noch „offene Fragen“ gebe, das bestätigt Miranda Schreurs, Professorin und gemeinsam mit Klaus Töpfer Leiterin des Begleitgremiums. Es solle Gutachten zur Klärung des Sachverhaltes geben.

Atommüll-Export wird empfohlen

Doch auch Winfried Petry, wissenschaftlicher Direktor der Neutronenquelle, gibt Wundrak Recht: In Deutschland sei eine Aufbereitung der 42 ausgebrannten Brennstäbe für eine langfristige Lagerung „technisch und gesetzlich gar nicht möglich“. Diese Option gebe es allerdings an Atomstandorten in Frankreich, den USA, Russland oder auch in Japan. Der Transport in eine dieser Konditionierungsanlagen sei durchaus überlegt worden, so Petry.

Wiederaufarbeitung im Ausland seit 2005 verboten

Aus gutem Grund wurde vor über zehn Jahren gesetzlich vereinbart, dass verbrauchter Brennstoff aus deutschen Atomkraftwerken in den Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland nicht mehr verarbeitet werden darf. Atomkraftgegner*innen hatten wegen verseuchter Strände und kranken Menschen rund um die Anlagen im britischen Sellafield und Dounreay oder im französischen La Hague protestiert. Der Atommüll werde durch dieses angebliche „Recyclingverfahren“ mehr und nicht weniger, kritisierten Umweltverbände und hatten in der Vergangenheit immer wieder zu Aktionen gegen die Transporte in diese Anlagen aufgerufen.

Um unter anderem den Garchinger Atommüll trotz des Verbots zu exportieren, hat sich die Bundesregierung mit dem Atomgesetz von 2017 eine Hintertür offengehalten: Sei eine Konditionierung „erforderlich“, ist eine Ausnahme des Exportverbots möglich. Die Gebinde sind dann aber „zur Endlagerung in Deutschland zurückzunehmen“, schreibt das Bundesumweltministerium.

Transport-Behälter erst in der Entwicklung

Als erste „Lösung“ für dieses Atommüll-Dilemma sollen die Brennstäbe im nordrhein-westfälischen Zwischenlager Ahaus geparkt werden. Der Abtransport dorthin kann allerdings „frühestens 2018“ stattfinden, so das Forschungszentrum. Denn die dafür benötigten Transportbehälter vom Typ „MTR3“ befinden sich erst „in der Entwicklung“.

Vor einer endgültigen Atommülllagerung an dem Ort, den die Bundesregierung bis 2050 finden will, sei es dann „klug“, so Direktor Petry, die Brennstäbe vorher so zu konditionieren, „dass sie sicher lagern können“. Bedeutet: Von Ahaus müssen die Behälter mit dem hochradioaktiven Abfall erneut auf die Straße, um nach Frankreich, in die USA, nach Russland oder Japan gebracht zu werden.

„Die Garchinger Forscher müssen sich, verdammt noch mal, ihrer Verantwortung für die hochgiftigen, weil Tausende Jahre strahlenden Hinterlassenschaften stellen“, lautet das Resümee zu diesem Irrsinn von Ingrid Wundrak.

weiterlesen:

  • Aktuelles zum Reaktor Garching

  • „Kein HEU aus Garching!“
    05.02.2015 - Die Bürgerinitiative „Kein Atommüll nach Ahaus“ wehrt sich nicht etwa gegen landwirtschaftliche Produkte aus Bayern, sondern gegen einen geplanten Transport von hoch angereichertem Uran aus dem Forschungsreaktor Garching.

  • Bayern will Atommüll nur produzieren – Teil II
    02.07.2015 - Der Freistaat kommt in Erklärungsnot: Nach der Weigerung, Atommüll aus dem Ausland aufzunehmen wurde jetzt bekannt, dass ab 2018 Castorbehälter aus dem Forschungszentrum Garching in das nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus transportiert werden sollen. Atomkraftgegner*innen weisen auch auf einen „Verstoß gegen die Empfehlungen der Reaktor-Sicherheits-Kommission“ hin.

  • 2. Rechtsgutachten: Export von AVR-Müll in die USA illegal
    22.09.2014 - Der Export von Atommüll aus dem nordrhein-westfälischen Atomreaktor Jülich in die USA ist rechtlich unzulässig. Zu diesem Schluss kommt ein erstes Rechtsgutachten der auf Umweltrecht spezialisierten Hamburger Anwaltskanzlei Günther im Auftrag von Greenpeace.

Quelle (Auszug): sueddeutsche.de; 5./8.8.2917

« Zur Blogübersicht
Jan Becker Profil-Bild

Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

blog via e-mail abonnieren
RSS-FEED
Blog als RSS-FEED abonnieren.
abonnieren »