Vor wenigen Tagen hat der Rückbau im hessischen Atomkraftwerk Biblis offiziell begonnen. Dafür zog sich die Landes-Umweltministerin Priska Hinz ein RWE-Jäckchen über und schraubte symbolisch an einer Pumpe. Der BUND erneuert seine Kritik an dem genehmigten Verfahren.
„Vor 42 Jahren wurde dieses Atomkraftwerk als erster Druckwasserreaktor weltweit in Betrieb genommen. Dieses Kapitel ist nun endlich vorbei“, freut sich die Ministerin beim Demontieren im Kühlkreislauf. „Atomenergie in Hessen gehört der Vergangenheit an.“
„Auch wir wollen, dass das AKW Biblis möglichst schnell verschwindet, doch eine Abrissgenehmigung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Phasen des Abrissverfahrens und große Mengen radioaktiven Abrissmaterials, die unkontrollierbar verteilt werden, ist für uns nicht akzeptabel“, so Dr. Werner Neumann, Landesvorstandsmitglied und energiepolitischer Sprecher des BUND.
Die am 19. Juli offiziell begonnenen Rückbauarbeiten sollen rund 15 Jahre dauern, berichtet der Betreiber RWE. Block A ist bereits Brennelement-frei. Im November 2016 wurde der letzte von 24 Castor-Behältern abgefertigt und im Standortzwischenlager (SZL) auf dem Kraftwerksgelände geparkt. Block B soll ab Mitte 2018 Brennelement-frei sein.
BUND erneuert Kritik
Das Genehmigungsverfahren für den Abriss sei „insgesamt intransparent“ verlaufen, erinnert der BUND. Es fehlt eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Arbeiten. Zehntausende von Tonnen Abrissmaterial mit angeblich geringer Strahlenbelastung sollen „freigemessen“ werden und auf Abfalldeponien oder im Straßenbau landen.
„Die erteilte Abrissgenehmigung lässt im Unklaren, welche Maßnahmen durch RWE Power bei weiteren Abrissphasen geplant sind“, so Neumann.
Atomkraftgegner*innen hatten im November 2011 den Anhörungstermin unter Protest verlassen. Den Anträgen von RWE wurde trotzdem mit der Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung am 30. März 2017 stattgegeben. Mit einer Klage will der BUND nun erreichen, dass wenigstens für die weiteren Abbauschritte Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden müssen.
„Die Öffentlichkeit muss immer wissen, welche Gefahren bei den einzelnen Abbauschritten entstehen können und mit welchen Maßnahmen diesen begegnet werden soll“, fordert Neumann.
Gehört die Atomenergie in Hessen der Vergangenheit an?
Betreiber RWE und Ministerin vermitteln in ihren Pressemitteilungen den Eindruck, dass Biblis in „15 Jahren“ abgeräumt ist. Doch insbesondere die Entsorgung der radioaktiven Abfälle wird „noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen“, gibt die Umweltministerin offen zu.
Was dahinter steckt: Über Jahrzehnte werden sich die Brennelemente weiterhin im unsicheren Standort-Zwischenlager befinden, das zu einem Dauer-Lager verkommen wird. Die Suche nach einem Atommülllager in Deutschland ist zwar „neu gestartet“, doch eine mögliche „Lösung“ für die Abfallberge in weiter Ferne. Ministerin Hinz ist zuzustimmen: Die Folgen der Atomenergienutzung werden am Standort Biblis „noch lange zu sehen sein“. Vermutlich länger, als die beiden Meiler überhaupt Strom lieferten. Atomenergie gehört in Hessen also noch lange nicht der Vergangenheit an.
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Quellen (Auszug): bund-hessen-de, nuklearforum.ch, umwelt.hessen.de; 19./26.7.2018