Das AKW-Projekt Belene, mitten im Erdbebengebiet, ist schon dreimal gescheitert. Aber Totgesagte leben manchmal länger
Atomkraft in Bulgarien, das war vor gut zehn Jahren auch hierzulande ein großes Thema: Banken und Energieversorger aus Deutschland wollten sich als Geldgeber und Investoren am Bau des AKW Belene an der Donau beteiligen – mitten in einem Erdbebengebiet. Eine breite Kampagne sorgte damals dafür, dass sich Commerzbank, Hypovereinsbank und Deutsche Bank schließlich doch dagegen entschieden, den riskanten AKW-Neubau mit Krediten zu unterstützen. Eon als Investor sprang ebenfalls schnell ab. RWE brauchte etwas länger: Erst im Oktober 2009 erklärte der Konzern den Ausstieg aus dem Projekt, dessen Kosten bereits explodierten, bevor die Finanzierung abgesichert war. In Deutschland ist es seitdem ruhig geworden um Belene im Besonderen und um Atomkraft in Bulgarien im Allgemeinen.
Belene – eine unendliche Geschichte
Verschiedene bulgarische Regierungen jedoch versuchten weiter, die Finanzierung der 10 Milliarden Euro für Belene sicher zu stellen. Allerdings ohne Erfolg, so dass 2012 die damalige Regierung das Projekt endgültig offiziell beendete. Der russische Konzern Atomstroyexport beziehungsweise dessen Exportarm Rosatom, der die Reaktoren für Belene hätte liefern sollen, zog vor ein internationales Schiedsgericht. Dieses verfügte im Juni 2016, dass das staatliche bulgarische Energieunternehmen NEK, das Belene gemeinsam mit Rosatom hatte bauen wollen, Schadensersatz in Höhe von 500 Millionen Euro plus Zinsen an Atomstroyexport zahlen solle. Nachdem im November 2016 der russlandfreundliche Rumen Radew zum Präsident gewählt wurde, gab es kurz Spekulationen über einen staatlichen Weiterbau von Belene, weil vor allem Russland daran großes Interesse hatte. Diese Option war jedoch schnell wieder vom Tisch.
Nach kurzen Auseinandersetzungen über die genaue Höhe der Summe zahlte die bulgarische Regierung Ende 2016 schließlich über 600 Millionen Euro Schadensersatz. Ein erster Versuch, Teile der Ausrüstung an den Iran zu verkaufen, scheiterte. Nun will die Regierung die Investitionsruine – geplant war der Bau von zwei Reaktoren à 1.000 Megawatt, von denen einige Teile bereits geliefert wurden – als Ganzes an private Investoren veräußern, damit diese das AKW fertig bauen und dann betreiben. Die scheidende Energieministerin Temenuzhka Petkova erklärte im Dezember, drei chinesische Unternehmen hätten daran Interesse angemeldet. Die zentrale wirtschaftliche Frage bleibt jedoch, wer den Strom aus den AKW abnehmen soll, da Bulgarien bereits Stromexporteur ist und die Nachbarländer ebenfalls keinen Bedarf haben.
Einziges Atomkraftwerk Kosloduj
Neben der Bauruine Belene verfügt Bulgarien über das AKW Kosloduj aus sechs Reaktorblöcken russischer Bauart. Die Blöcke 1–4 mussten als Bedingung zum EU-Beitritt abgeschaltet werden: Kosloduj 1 und 2 bereits 2002, die Blöcke 3 und 4 dann zum 31.12.2006.
Kosloduj 5 und 6 sind Reaktoren vom Typ WWER 1000/320. Kosloduj 5 hätte planmäßig im Oktober 2016 sein Betriebsende erreicht. Eine mit Rosatom vereinbarte Generalüberholung soll den Reaktor aber 30 weitere Jahre am Netz halten. Auch die Laufzeit von Block 6 soll verlängert werden.
Darüber hinaus gibt es Ideen für einen Neubau Kosloduj 7, wobei unklar ist, wer das Kraftwerk bauen, und erst recht, wer es finanzieren soll. Ein Gedankenspiel geht dahin, die für Belene gelieferten Bauteile hier zu nutzen.
Anti-Atom-Bewegung
Gegen Belene formierte sich lokaler und landesweiter Widerstand in der „BeleNe!“-Koalition. Besonders abstrus war, dass das Projekt, das ja noch aus sozialistischen Zeiten stammte, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wegen breiter Proteste bereits abgeblasen gewesen war. Nach seiner Neuaufnahme mussten die Aktivist*innen und Umweltgruppen erst wieder mühsam die Gefahren der Atomkraft erklären. Die Biobäuerin Albena Simeonova erhielt wegen ihres Widerstandes gegen das AKW mehrfach Morddrohungen.
Die Kampagne profitierte bei ihrer Aufklärungsarbeit davon, dass die Finanzierung von Belene so schwierig war, womit sich die ökonomischen Gefahren der Atomkraftnutzung gut illustrieren ließen. Das half beim Stimmungswandel von sehr pro-nuklear zu zunehmend kritischer.
Allerdings wandten sich in Bulgarien nach dem Ende von Belene zahlreiche Aktivist*innen und Organisationen anderen ebenfalls drängenden Problemen zu, sei es Gold- oder Braunkohlebergbau oder die Naturzerstörung durch ausufernde Baumaßnahmen. Die Anti-Atom Bewegung hat dadurch an Kraft verloren.