Vattenfall plant illegale Atommülllagerung in Brunsbüttel

16.01.2017 | Jan Becker

Obwohl das Atommüll-Zwischenlager am AKW Brunsbüttel keine Genehmigung mehr hat, will der Energiekonzern Vattenfall dort weitere Castoren mit strahlenden Abfällen einlagern. Obwohl das illegal wäre, hat die Politik offensichtlich vor, es zu billigen. Bürger*innen können Einspruch gegen eine neue Genehmigung für die Lagerhalle einreichen.

Zwischenlager Brunsbüttel
Foto: contratom
Zwischenlagerhalle Brunsbüttel

Weil bei Erteilung der Betriebsgenehmigung bestimmte Bedrohungs-Szenarien nicht ausreichend Beachtung fanden, konnte eine Atomkraftgegnerin aus Brunsbüttel einen jahrelangen Prozess gegen Vattenfall vor dem Bundesverwaltungsgericht gewinnen und Anfang 2015 erwirken, dass die Genehmigung für die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle aufgehoben wurde. Mit Stand vom 31. Dezember 2015 befinden sich dort neun Behälter mit Brennelementen - de facto illegal.

Damit kein rechtsfreier Raum entsteht, hat das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein eine bis spätestens Januar 2018 befristete aufsichtliche Anordnung erlassen. Doch anstatt ein besseres Zwischenlager zu bauen, beantragte Vattenfall am 16. November 2015 eine neue Genehmigung für die bestehende Halle. Um diese Lagererlaubnis zu erhalten, muss der Betreiber nachweisen, dass die beantragte Aufbewahrung von Kernbrennstoffen die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 Atomgesetzt erfüllt. Dazu gehören u. a. die Sicherheit der Aufbewahrung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und der Schutz gegen Terrorangriffe und Sabotageakte.

Bereitstellung statt Zwischenlagerung?

Für den Abriss des seit 2011 stillgelegten AKW Brunsbüttel ist die Auslagerung der noch im Reaktor befindlichen 517 Brennelemente nötig. Dafür werden die hochradioaktiven Reste der Stromerzeugung in elf Castor-Behälter verladen. Und dann im Standort-Zwischenlager geparkt, bis es in Deutschland eine neue „Lösung“ für die Atommülllagerung gibt.

Dieser an anderen AKW-Standorten übliche Ablauf sollte in Brunsbüttel wegen der fehlenden Genehmigung eigentlich nicht funktionieren. Doch Mitte 2016 gab Vattenfall bekannt, dass man beabsichtige, auch ohne Erlaubnis weitere Castorbehälter in die Brunsbütteler Lagerhalle zu stellen. Diese sollten statt der unzulässigen Zwischenlagerung einstweilen „bereitgestellt" werden, bis eine neue Lagergenehmigung vorliegen würde. Dieses Anliegen sei „nachvollziehbar“, so Schleswig-Holsteins für Reaktoraufsicht zuständige Umweltminister Robert Habeck (Grüne).

Zustimmung wäre strafbar

Deutliche Kritik formuliert die Umweltschutzorganisation Greenpeace: In einem aktuellen Gutachten des Atomjuristen Ulrich Wollenteit heißt es, „die Umlagerung der noch im Reaktor Brunsbüttel befindlichen Brennelemente in das ungenehmigte Zwischenlager ist unzulässig“. Die gegenläufige Auffassung, die in einem von der Atomaufsicht beauftragten Rechtsgutachten vertreten werde, sei „verfehlt“. Sie basiere vor allem auf einer „unhaltbaren Auslegung des Genehmigungsinhalts der Betriebsgenehmigung“, so Wollenteit.

Der zuständige Umweltminister Robert Habeck (Grüne) droht sich mit einer Zustimmung strafbar zu machen, warnt Greenpeace. Er sei dabei, „die Interessen Vattenfalls über geltendes Recht und den Schutz der Bevölkerung zu stellen“, so Susanne Neubronner, Greenpeace-Expertin für Atomkraft. Der Atommüll sei im Zwischenlager nicht sicher.

UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet

Im Laufe des Genehmigungsverfahrens muss das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen. Zwischen dem 11. Januar und 10. März 2017 sind die Antragsunterlagen öffentlich ausgelegt und können eingesehen werden. Alle Bürger*innen sind nun befugt, gegen die Pläne Einwendungen zu formulieren. Die Kritik werde dann auf einer Veranstaltung diskutiert und solle sich laut BfE in den neuen Genehmighungsunterlagen niederschlagen... Bis zu einer neuen Betriebsgenehmigung können in jedem Fall noch Jahre vergehen.

weiterlesen:

  • Brunsbüttel: Habeck macht Unsicherheit zum Regelfall
    20.07.2016 - Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck will zulassen, dass hochradioaktive abgebrannte Brennelemente aus dem Nasslager des AKW Brunsbüttel in Castor-Behälter gepackt und in die Zwischenlager-Halle auf dem Kraftwerksgelände gestellt werden – und dies, obwohl die Genehmigung für das Zwischenlager gerichtlich aufgehoben wurde.

  • Erörterung zum Rückbau des AKW Brunsbüttel
    06.07.2015 - Wie bereits an anderen AKW-Standorten werden ab heute auch in Brunsbüttel die Kritikpunkte gegen den geplanten Rückbau diskutiert. AtomkraftgegnerInnen fordern maximale Sicherheit für Anwohner und Beschäftigte. Betreiber Vattenfall will unter anderem große Mengen schwach strahlenden Bauschutt als „unbedenklich“ erklären und mehr Radioaktivität freisetzen, als während des Leistungsbetriebs des Kraftwerks.

  • Brunsbüttel-Urteil: Entsorgungskonzept in sich zusammengebrochen
    16.01.2015 - In die Lagerhalle in Brunsbüttel hätten niemals Castor-Behälter eingelagert werden dürfen, weil das Gebäude nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze gesichert ist. Deshalb hat das Urteil nicht nur Folgen für diesen einen Standort. Die Zwischenlager an den anderen Atomkraftwerken sind baugleich und damit genau so gefährdet wie Brunsbüttel.

  • „Totalversagen“: 136 stark beschädigte Atommüllfässer im AKW Brunsbüttel
    08.11.2014 - Die Zahl der stark beschädigten Atommüll-Fässer im stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel steigt weiter. Nach Angaben des Betreibers Vattenfall wurde zuletzt ein Lagerraum unter dem AKW kontrolliert, in dem sich 74 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall befinden. Davon seien 32 „stark beschädigt“. Zuletzt meldete Vattenfall im Oktober, dass mindestens jedes dritte Fass in den Lagerkavernen kaputt ist. Atomkraftgegner sehen ein Totalversagen bei Betreiber, Atomaufsicht und dem Entsorgungskonzept.

Quellen (Auszug): greenpeace.de, umweltfairaendern.de, bfs.de; Mai 2016 / 10./13.1.2017

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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