Kürzlich startete das Erörterungsverfahren der Einwände gegen den Rückbau des bayrischen Atomkraftwerks Grafenrheinfeld. Der zweite Tag endete mit einem Eklat: UmweltschützerInnen verließen unter Protest die Veranstaltung. Betreiber PreussenElektra schließt zudem ein Wiederanfahren der Anlage nicht aus.
Unter Protest verließ der BUND Naturschutz (BN) am gestrigen Mittwoch, dem zweiten Tag der Veranstaltung, die Erörterung in Grafenrheinfeld. Im Verlaufe war klar geworden, dass das Umweltministerium noch auf die Vervollständigung von Unterlagen durch PreussenElektra wartet. Der Konzern hatte beantragt, den Meiler „direkt“ abzubauen, obwohl sich noch hochradioaktive heiße Brennstäbe im Nasslager des Reaktors befinden. Doch Teile der Unterlagen, die einen „rückwirkungsfreien“ Ablauf belegen sollen, fehlten dem Umweltministerium zum Zeitpunkt der Erörtung.
„Wir wollen uns nicht an einer Farce beteiligen!“
„Sowohl wir als auch die Vertreter der Kommunen haben hierauf den Abbruch der Erörterung beantragt – wegen Unvollständigkeit der Unterlagen“, so Edo Günther, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Schweinfurt und Sprecher des bundesweiten BUND Arbeitskreis Atomtechnologie und Strahlenschutz. Dem sei das Umweltministerium aber nicht nachgekommen, woraufhin die UmweltschützerInnen die Erörterung am zweiten Tag gegen Mittag unter Protest vorzeitig verlassen mussten.
Das bayerische Umweltministerium, das über den Rückbauantrag entscheiden muss, besteht darauf, dass alle für den Erörterungstermin erforderlichen Unterlagen ausgelegt worden seien. Eine Wiederholung der Erörterung soll es nicht geben. Für das beantragte Verfahren würden die selben Sicherheitsbestimmungen wie für den Leistungsbetrieb des Meilers gelten. Und diese würden sicherstellen, dass „keine negativen Auswirkungen auf die Anlage und damit auf die Umwelt zu befürchten seien“.
Der BN kritisiert, dass damit die Werte für erlaubte Emissionen von Radioaktivität unverändert weiter gelten sollen. Der BN fordert eine neue Betriebsgenehmigung für die Stilllegung des Atomkraftwerks, für die unter anderem die Gefahren in diesem Zeitraum durch einen Flugzeugabsturz oder einen terroristischen Angriff untersucht und Schutzmassnahmen umgesetzt werden müssen. Doch weder der Betreiber noch das Ministerium sind daran interessiert.
Betreiber schließt Wiederanfahren nicht aus
Auf direkte Nachfrage schloss ein Vertreter von Preussen Elektra nicht einmal aus, dass das seit Sommer 2015 stillgelegte AKW wieder hochgefahren wird. Man wolle den Verlauf der vor dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Klagen gegen den Atomausstieg abwarten und dann über die Zukunft der Anlage entscheiden.
Ein Vertreter der Bundesregierung hält ein Wiederanfahren allerdings für „unwahrscheinlich“, selbst wenn die Verfassungsbeschwerde erfolgreich wäre. Laut Verfassungsrechtler Christoph Möller von der Humboldt-Universität Berlin, der als Bevollmächtigter der Bundesregierung im Verfahren um den Atomausstieg am Bundesverfassungsgericht fungiert, wäre damit die Betriebsgenehmigung „nicht automatisch wieder in der Welt“. Einen „Verstoß gegen die Eigentumsgarantie“ der Betreiber durch die von der Bundesregierung angeordnete Abschaltung der AKW hält er allerdings für möglich.
Letzte Chance für Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Erörterung sei die letzte Chance, überhaupt noch Einfluss auf das weitere Verfahren in Grafenrheinfeld zu nehmen, kritisiert der BUND Naturschutz. Es gäbe „nur ein einziges Mal eine Öffentlichkeitsbeteiligung, obwohl die Maßnahmen bis Ende der 2020er Jahre dauern werden“, so Edo Günther. Der BN prüft nun, ob gegen den einen oder anderen Punkt des Feststellungsbescheids geklagt werden kann.
weiterlesen:
-
Grafenrheinfeld: Hunderte Einwendungen gegen Rückbaupläne
29.07.2016 - Mit einer „schallenden Ohrfeige“ für den Betreiber endet die Einspruchsfrist gegen die Rückbaupläne für den bayrischen Atomreaktor Grafenrheinfeld. -
AKW-Rückbau: Übertriebene Eile ist schädlich
23.11.2015 - Gleich an drei Standorten wurde in den vergangenen Tagen über den „Rückbau“ der dortigen Atomanlagen diskutiert. Überall gibt es Probleme. Und überall beschweren sich kritische BürgerInnen über die Verharmlosung der Gefahren und den Umgang mit Kritik durch die Behörden und den Betreiber Eon. -
Keine Wolke mehr über Grafenrheinfeld
30.06.2015 - In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni wurde das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld für immer abgeschaltet. Gudrun Pausewang gelingt es bis heute, den Menschen anhand eines Szenarios um diesen Meiler das Gefühl zu vermitteln, „was ohne den Atomausstieg drohen könnte“. Damit hat die Anti-Atom-Bewegung ihr eine Menge zu verdanken. -
„Sicherer Einschluss“ für das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld gefordert
24.03.2015 - Eon will das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld nach Stilllegung im kommenden Mai möglichst schnell zurückbauen. AtomkraftgegnerInnen fordern hingegen, aus Sicherheitsgründen auf einen „Sicheren Einschluss“ zu setzen.
Quellen (Auszug): br.de, sueddeutsche.de, klimaretter.info, bund-naturschutz.de; 25./26.10.2016