Studie: Atomenergie behindert Klimaziele

30.08.2016 | Jan Becker

Das Ergebnis einer neuen Studie steht konträr zur Propaganda der Atomlobby, die ihre Atomkraftwerke als „Klimaschützer“ bewirbt: Die international vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen wird von Ländern mit Atomausstiegsplänen motiviert verfolgt. Länder mit Ausbauplänen sind hingegen weniger ambitioniert.

Eines haben die Mitteilungen der Atomkraftwerks-Betreiber gemeinsam: Sie bewerben den Klimaschutzaspekt ihrer Dinosaurier-Technik:

„Diese Strommenge reicht aus, um etwa 1,8 Millionen Haushalte mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden ein Jahr lang zuverlässig und CO2-frei mit Strom zu versorgen“, heisst es am 3. August von RWE zum AKW Emsland.

„Im Vergleich zu einem Braunkohlekraftwerk ersparte das Kernkraftwerk Grohnde der Umwelt damit ca. 350 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht dem doppelten CO2-Jahresausstoß des gesamten deutschen Straßenverkehrs“, bewirbt Eon im März den Klimaschutzaspekt.

„Block 2 kann nun seine erfolgreiche Stromproduktion fortsetzen. Damit wird unsere gut gewartete Anlage, die höchste internationale Standards erfüllt, auch weiterhin einen wichtigen Beitrag für eine klimafreundliche, sichere und zuverlässige Stromversorgung leisten. Immerhin kommt etwa ein Viertel des in Baden-Württemberg verbrauchten Stroms vom Standort Philippsburg – und das CO2-frei und rund um die Uhr“, schrieb Philippsburg-Betreiber EnBW im Jahr 2010.

„Damit hat das Kernkraftwerk Gundremmingen im Jahr 2014 bislang insgesamt rund 5,6 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Diese Strommenge reicht aus, um etwa 1,6 Millionen Haushalte mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden ein Jahr lang zuverlässig und CO2-frei mit Strom zu versorgen“, so RWE, Inhaber der bayrischen Meiler.

Ungeliebte Klimaschützer

Atomforum: Klimaschützer unter sich
Foto: atomforum.de
Verbotene Werbung: Klimaschützer unter sich

2008 wurde das Deutsche Atomforum wegen „Missbrauch der öffentlichen Sorge um den Klimawandel zur Imagepflege für die Atomenergie“ für den Worst Lobby Award, einen Preis für die verlogenste Lobby-Arbeit in Europa, nominiert. Hintergrund war die Werbekampagne für „unsere ungeliebten Klimaschützer“, die deutschen Atomkraftwerke. Mit Großflächenplakaten und Anzeigen in Zeitungen warb der Lobbyverein der AKW-Betreiber damals inmitten der Klimaschutzdebatte ab Mitte 2007 für den Weiterbetrieb ihrer alten AKW.

Im Juli 2011 wurde es dem Atomforum verboten, mit Windrädern der Firma Enercon und dem Slogan “Klimaschützer unter sich. Kernkraftwerk Unterwester und Windenergie: CO2- Ausstoß = Null.” zu werben. Im August 2011 wurde es einem Unternehmen in der Schweiz gerichtlich untersagt, sein AKW in einem Video als „CO2-frei“ zu bewerben.

Klimaschutz: Länder ohne Atomkraft besonders ambitioniert

In einer neuen Studie haben Forscher der Universitäten Sussex (England) und Wien (Österreich) belegt, dass atomkraft-freie Staaten und solche mit Ausstiegsplänen die Treibhausgasemissionen viel stärker reduziert und erneuerbare Energien besser ausgebaut haben als solche mit AKW-Ausbauplänen.

Die Wissenschaftler bildeten drei Gruppen und verglichen die Erfolge der europäischen Staaten: In Gruppe 1 kamen Länder ohne Atomenergie wie Dänemark, Irland und Österreich. Gruppe 2 bildeten Atomländer mit Ausstiegsplänen wie Deutschland, Niederlande und Schweden. In Gruppe 3 befinden sich Staaten, die an der Atomkraft festhalten oder diese ausbauen wollen: z.B. Großbritannien, Frankreich oder Bulgarien.

  • Die Staaten der Gruppe 1 haben ihre Treibhausgasemissionen seit 2005 um durchschnittlich sechs Prozent verringert und den Anteil Erneuerbarer Energien auf 26 Prozent ausgebaut.

  • Die Staaten der Gruppe 2 reduzierten im gleichen Zeitraum ihre Emissionen sogar um elf Prozent, steigerten den Anteil Erneuerbarer allerdings nur auf 19 Prozent.

  • Ganz anders sieht es bei Gruppe 3 aus: Sie steigerten ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 sogar durchschnittlich um drei Prozent und bauten die Erneuerbaren Energien auf nur 16 Prozent aus.

Mehr Klimaschutz wird unterdrückt

Atomkraft würde „gerne und lautstark als attraktive Antwort auf den Klimawandel angepriesen“, so Andy Stirling von der Universität Sussex. Doch es sei „fraglich, ob sie kosteneffizient und sicher ist“.

„Weil dadurch bessere Wege zum Erreichen der Klimaziele unterdrückt werden, ist es laut unserer Evidenz kontraproduktiv, sich auf ein Bekenntnis zu Kernenergie zu versteifen“, so die Autoren der Studie.

weiterlesen:

  • Atomkraft: Ein „seltsamer Weg“ für mehr Klimaschutz
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    1. Dezember 2015 — Eine weltweite Initiative unter dem Motto „Nuclear for Climate“ wirbt derzeit dafür, dass die politischen Entscheidungsträger die Atomkraft im Rahmen der Pariser Klimakonferenz COP21 berücksichtigen. Sie sei „Teil der Lösung, um den Klimawandel zu bekämpfen“, schreiben die Lobbyverbände. Doch betrachtet man allein das Risikopotential, muss (nicht nur) der Zubau von Atomkraftwerken verboten werden.

  • Atomkraft ist auch kein französischer Klimaretter
    3. November 2015 — Ist Atomstrom ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Treibhaus-Gase und Erderwärmung? Einen Monat vor dem Klimagipfel COP21 in Paris gibt eine kürzlich veröffentlichte Studie deutlich Antwort. Doch ausgerechnet das COP-Gastgeberland verkündet umfangreiche AKW-Neubaupläne.

  • Hintergrund: Atomenergie dient nicht dem Klimaschutz (pdf-Broschüre)
    Eine Erwiderung auf die Klima-Propaganda der Atomlobby: .ausgestrahlt hat das Klimaschutz-Argument der Atomkraft-Befürworter auf den Prüfstand gestellt. Das Ergebnis sind zehn Gegen­argumente – eine Erwiderung, die die Propaganda der Atomlobby aufdeckt und entkräftet.

Quellen (Auszug): handelszeitung.ch, energiezukunft.eu, sussex.ac.uk; 22./ 24./29.8.2016

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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