EU-Beitritt bringt Aus für zwei Reaktoren, nicht aber für den Bau von neuen – selbst mit 30 Jahre alten Teilen
Robert Fico, der slowakische Regierungschef, betonte 2012, niemand könne die Slowakei davon überzeugen, dass sie ohne Atomenergie überleben könne. Deswegen erweitere man die Atomkraftwerke Mochovce und Jaslovske Bohunice. Nationalistischer Glaube ist offenbar stärker als die Realität der weltweiten Energiewende.
Die derzeit vier Reaktoren, je zwei an den Standorten Mochovce und Bohunice, lieferten 2014 57 Prozent des in der Slowakei produzierten Stroms. Sie sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Geschichte mit vielen Problemen und Katastrophen inklusive einer teilweisen Kernschmelze: In der ehemaligen Tschechoslowakei wurde bereits 1958 ein eigener 110-Megawatt-Prototyp eines AKW entwickelt, der 1972 als „A1“ in Bohunice in Betrieb ging. Nach zwei Unfällen 1976 und 1977 – ersterer mit zwei Todesfällen, letzterer mit einer teilweisen Kernschmelze – wurde der Reaktor geschlossen und die Atomindustrie stieg auf die damals im Ostblock bewährte sowjetische Reaktorlinie WWER um. In Bohunice entstanden vier dieser Reaktoren. Die zwei älteren stufte die EU als so riskant ein, dass sie im Beitrittsvertrag mit der Slowakei das Aus für sie festschrieb, Block 3 und 4 sind noch am Netz.
Der Neubau eines fünften Blocks ist geplant. Die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) dafür läuft bereits, auch wenn Reaktortyp und Finanzierung völlig unklar sind: Es bleibt die Frage, welcher Investor in Zeiten niedriger Strompreise mehrere Milliarden in einen weiteren Reaktor versenken soll.
Mochovce: Der Uralt-Neubau
Die Reaktorblöcke 1 und 2 im AKW Mochovce stammen aus der zweiten WWER-Generation – Druckwasserreaktoren ohne ein Volldruck-Containment, welches im Falle einer Kernschmelze den Austritt radioaktiver Stoffe zumindest zeitweise aufhalten könnte. Noch unter sozialistischer Regierung begann am selben Standort 1985 der Bau eines dritten und vierten Reaktors, der jedoch nach der Wende zum Kapitalismus 1993 aus Gründen mangelnder Finanzierbarkeit abgebrochen wurde. 16.000 Bauteile wurden am Standort eingemottet, die teilfertiggestellten Investitionsruinen versanken für 15 Jahre in atomaren Dornröschenschlaf.
Der wurde zum Albtraum, als die Regierung 2004 beschloss, beide Reaktoren doch noch fertigbauen zu lassen – bei der Privatisierung des bisherigen Monopolisten Slovenske Elektrarne und dem Verkauf an die italienische Enel (mittlerweile an die tschechische EPH-Gruppe) war dies Bedingung. Zwar ist das Projekt derzeit fünf Jahre verspätet, die Kosten von geschätzten 2,78 Milliarden Euro haben sich auf 5,1 Mrd. Euro fast verdoppelt. Dennoch sieht es so aus, als ob Reaktor 3 nächstes Jahr in Betrieb gehen wird – trotz des rechtlichen und zivilgesellschaftlichen Widerstands insbesondere aus dem nur 160 Kilometer entfernten Österreich: Die Slowakei erklärte das grenzüberschreitende UVP-Verfahren im Mai 2010 einseitig für „abgeschlossen“. Nach österreichischem Protest entschuldigte sich die damalige Premierministerin und kündigte an, dass vor der Inbetriebnahme von Block 3 eine weitere grenzüberschreitende UVP der Anlage durchgeführt und sicherheitsrelevante Aspekte thematisiert und behoben würden. Dies muss nun aber noch durchgesetzt werden. Die langjährige Arbeit von GLOBAL 2000 / Friends of the Earth Austria zu Mochovce wurde begleitet von Aktionen vor Ort zusammen mit slowakischen Partnerorganisationen und mehreren Rechtsverfahren. Das Aarhus Compliance Komitee der Vereinten Nationen, befand 2010 aufgrund einer Beschwerde, dass die Slowakei bei der Erteilung von Änderungs-Genehmigungen nicht die vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung gewährt. Allerdings ignoriert die Slowakei diese Verurteilung einfach.
GLOBAL 2000 wird auf diesen Bruch des internationalen Rechts hinweisen. Eine „harte“ UVP der bereits existierenden Anlage wird die Mängel des Reaktortyps und der schon vor Betriebsbeginn gealterten 16.000 Komponenten zeigen, eine – teure – Nachrüstung zumindest etwas mehr Sicherheit bringen. Der noch viel größere Schritt ist aber, die slowakischen Nationalisten in der Regierung davon zu überzeugen, dass der Wind auch in der Slowakei weht und die Sonne auch in der Slowakei scheint – und das viel sichereren und billigeren Strom bringt als ihre Träume vom Atomstaat.
Dieser Text ist ursprünglich im .ausgestrahlt-Magazin 32 (Juli 2016) erschienen.