Vor 50 Jahren wurde in Block A des Atomkraftwerk Gundremmingen die erste Kernspaltung provoziert. Nach nur elf Jahren kam es nach einen Störfall zum Totalschaden. Heute dienen die Gebäude als Atommüllanlage.
Gundremmingen Block A wurde nach relativ kurzer Planungs- und Genehmigungszeit ab 1962 komplett in amerikanischer Lizenz gebaut. Es wurde auch „Demonstrationskraftwerk“ genannt, da hier entscheidende Erkenntnisse für den Bau von großen AKW gewonnen werden sollten. Am 14. August 1966 wurden die Steuerstäbe im Kern des Siedewasserreaktors der ersten Generation so weit ausgefahren, dass eine Kettenreaktion zustande kam. Mit 250 Megawatt war Gundremmingen A damals das leistungsstärkste Kraftwerk zur industriellen Stromerzeugung und gleichzeitig auch das weltweit größte AKW. Der kommerzielle Betrieb wurde am 12. April 1967 aufgenommen.
Totalschaden nach elf Jahren Betrieb
Am 13.01.1977 erfolgte ein Kurzschluss in den Stromleitungen außerhalb des AKW Gundremmingen A. In den beiden abführenden Stromleitungen des Kraftwerks war es nach einem Kälteeinbruch und einem Blitzschlag zu Kurzschlüssen gekommen. Wegen der Eislast auf den Hochspannungsleitungen waren die Leitungen gerissen und Fortleitung des Stroms unterbrochen worden. Durch diesen Netzausfall kam es in Block A zu einer Reaktorschnellabschaltung, dabei ereignete sich eine ganze Reihe von Pannen und Fehlern, die letztendlich zu einem „Totalschaden“ des Atommeilers führten.
Durch eine Serie von Fehlsteuerungen kam es zu einem schnellen Druckanstieg im Reaktor und zur Dampfblasenbildung im Reaktorgebäude. Innerhalb weniger Sekunden strömten 200.000 Liter radioaktiver Dampf in das Gebäude. Risse entstanden in Sicherheitsventilen und Rohrleitungen. Schon nach rund zehn Minuten stand im Reaktorgebäude das Wasser drei bis vier Meter hoch, die Temperatur war auf brisante 80 Grad Celsius angestiegen.
Freisetzung von Radioaktivität
Vier Tage nach dem „Ereignis“ wurde die Radioaktivität im Reaktorgebäude „kontrolliert“ über den Kamin freigesetzt. Erst nach Wochen war das Reaktorinnere durch die Aufsichtsbehörden inspizierbar. Die Untersuchungen ergaben, daß der Stahl der Rohrleitungen Schäden aufwies (ein „importierter amerikanischer Materialfehler“), deshalb wurde „Nachertüchtigung“ mit neuen Rohrleitungen gefordert. Der TÜV verordnete ein völlig neues Sicherheitskonzept. Politik und Aufsichtsbehörden verlangten eine Modernisierung der Leit- und Sicherheitstechnik auf den Stand der Technik.
Anfangs hieß es noch, der Reaktor werde in einigen Wochen wieder in Betrieb gehen können. Über Monate und Jahre wurde dann langsam bekannt, daß der Reaktor nicht mehr repariert wird. Die geforderten Baumaßnahmen zur Nachbesserung waren den Betreibern der Anlage zu teuer: Etwa 180 Millionen DM hätte die Modernisierung gekostet. Auch wegen der in direkter Nachbarschaft bereits in Bau befindlichen zwei neuen, stärkeren Reaktoren Gundremmingen B und C entschieden sich die Betreiber für die Stilllegung.
Kein Kilogramm Atommüll entsorgt
Elf Jahre lang wurde tödlicher Atommüll erzeugt, erinnern Atomkraftgegner aus Bayern. Dieser strahle „weit über eine Milliarde mal stärker als der Ausgangsstoff Uran“. Und es brauche mehr als eine Million Jahre bis die Strahlung so weit abgeklungen ist, dass sie wieder das Niveau von Uran erreiche. Und der Betreiber produziert mit den Blöcken B und C weiter. Dabei wäre sogar die Stromversorgung Deutschlands wie Bayerns auch ohne diese „Todesfabrik“ gesichert.
„50 Jahre Kernspaltung in Gundremmingen sind 50 Jahre Unmoral“, so Raimund Kamm von der kritischen Initiative „Forum“. „Die AKW-Betreiber RWE und PreussenElektra haben von dem bisher in Gundremmingen erzeugten hochradioaktiven Todesmüll noch nicht ein Kilogramm entsorgt. Alles wurde nur megagefährlich oberirdisch zwischengelagert.“
Atommüll über ganz Deutschland verteilt
Kontaminierte Stahlteile aus Block A wurden in Behälter gegossen und im Zwischenlager Mitterteich eingelagert. Fast 3.500 Gebinde wurden direkt an das heute als „havariert“ geltende Atommülllager Asse-2 geliefert, 4.334 Gebinde landeten über den Umweg „Wiederaufarbeitung“ in der ehemaligen Anlage in Karlsruhe dort. In das ehemalige DDR-Atommülllager Morsleben, das heute als einsturzgefährdet gilt, wurden 160 Kubikmeter transportiert. Beliefert wurden die Wiederaufarbeitungsfabriken in La Hague und Sellafield - der Müll lagert dann teilweise schon in den Castor-Behältern im Zwischenlager Gorleben. Und in die belgische Skandalanlage Mol, in der in den 80er Jahren Atommüllfässer falsch deklariert wurden, hat Gundremmingen strahlende Abfälle gebracht. In dem sogenannten „Technologiezentrum“, für das die Gebäude von Block A heute genutzt werden, befindet sich auch noch Atommüll.
- Forum-Chronik: Die Geschichte dieses Gundremminger Atommülls (pdf)
Die Rückbaugenehmigung bekam der Betreiber am 26.05.1983. Beim Abriss des vergleichsweise kleinen Meilers, der 1990 begann, sollen etwa 10.000 Tonnen Material anfallen. Davon müssen ca. 14 Prozent als radioaktiver Abfall gelagert werden. Der größte Teil, ca. 86 Prozent, wird oder wurde bereits „freigemessen“, also bis unter geltende Grenzwerte gesäubert oder vermischt, danach konventionell deponiert oder wiederverwendet. Bis heute sind die Arbeiten nicht abgeschlossen und sollen am Ende etwa 2,2 Milliarden Euro kosten. Gundremmingen A sollte eigentlich bis 2005 komplett rückgebaut werden, 2001 waren die Kosten für den gesamten Abbruch der Anlage und die Lagerung des radioaktiven Mülls auf rund 500 Millionen DM geschätzt worden...
Proteste gegen den Weiterbetrieb
Seit 1989 findet jeden Sonntag um 15 Uhr vor dem Atomkraftwerk eine Mahnwache statt.
Am Montag den 12. September 2016 wird Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) auf gemeinsame Einladung des Bündnis „Atommüll-Lager in Nordschwaben - Nein danke!“ und des „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.“ in Dillingen sprechen. Sein Thema: „Was machen wir mit unserem Atommüll?“
weitere Infos:
- FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.
- Mahnwache Gundremmingen
- Atommüllreport: Datenblatt AKW Gundremmingen A
weiterlesen:
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Keine Lösung für Deutschlands größtes Atommüll-Lager
21.04.2015 - AtomkraftgegnerInnen aus dem Süden schlagen Alarm: Am Standort Gundremmingen befindet sich das größte Atommüll-Lager Deutschlands und die „Entsorgung“ der strahlenden Altlasten ist völlig ungewiss. Es bestätige sich die Befürchtung, „dass die Zwischenlager faktisch zu Endlagern werden“. -
AKW Gundremmingen: Laufzeitverlängerung für die gefährlichsten Reaktoren
12.06.2015 - Durch die Übertragung von Strommengen aus bereits stillgelegten Atomkraftwerken auf das bayerische AKW Gundremmingen ist dessen Weiterbetrieb gesichert worden. Eigentlich wäre die Betriebserlaubnis im kommenden Jahr erloschen. Denn es handelt sich um das „gefährlichste AKW Deutschlands“. -
Computerviren im Reaktor B des AKW Gundremmingen
29.04.2016 - Im Computersystem von Gundremmingen B ist Schadsoftware entdeckt worden. Die entdeckten Programme gehören einem älteren Typ an und befanden sich womöglich schon länger im System. -
Hochverstrahltes Brennelement im AKW Gundremmingen abgestürzt
10.11.2015 - Eine „Eilmeldung“ musste der Betreiber des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen an die Atomaufsichtsbehörde machen: An einem Brennelement löste sich beim Transport mit einem Kran das Brennstabbündel vom Brennelementkopf und „rutschte“ unkontrolliert in seine Lagerposition. Teilweise befindet sich der Atommüll schon seit fast 30 Jahren in den Becken.
Quellen (Auszug): mahnwache-gundremmingen.de, atommuell-lager.de, heise.de, atommüllreport.de; 16./17.08.2016