Die besonders pannenträchtigen Meiler Fessenheim (Frankreich) und Tihange-2 (Belgien) wurden unplanmäßig abgeschaltet: In den vergangenen Tagen mussten wieder zahlreiche Störungen in Atomkraftwerken dokumentiert werden.
Im umstrittenen belgischen AKW Tihange-2 hatte bereits vergangene Woche ein Antriebsmotor von Dampfturbinen im nichtatomaren Teil der Anlage den Dienst versagt. Der Reaktor musste abgeschaltet werden, notwendige Ersatzteile seien „am Wochenende nur schwer aufzutreiben“, heißt es vom Betreiber Electrabel. Wegen tausender Risse im Reaktorbehälter und weiterer Pannen fordert neben zahlreichen deutschen Städten und Ländern auch die Bundesregierung, das Kraftwerk ungehend stillzulegen. Zuletzt schlossen sich die Niederlande der Forderung an: Eine Mehrheit der Parlaments-Abgeordneten rief vergangenen Dienstag die belgische sowie die eigene Regierung auf, das AKW zu schließen.
Das selbst in für immer abgeschalteten Atomkraftwerken weiter sicherheitsrelevante Pannen auftreten, beweist ein Ereignis aus dem baden-württembergischen Neckarwestheim: Ein Notstromdieselaggregat in Block 1 habe Öl verloren, zudem seien an dem Motor „ungewöhnliche Laufgeräusche“ aufgetreten. Der Betreiber schaltete die für die Notkühlung wichtige Komponente ab und musste Beschädigungen an einem Kolben feststellen. Das Ereignis war zwar meldepflichtig, aber „ohne oder von sehr geringer sicherheitstechnischer Bedeutung“, so Betreiber EnBW. Es stehen weitere Notstromaggregate zur Verfügung.
Fessenheim: Zwei Abschaltungen in wenigen Tagen
Auch das älteste französische Atomkraftwerk macht erneut Schlagzeilen: Innerhalb von sechs Tagen ist es in Fessenheim zu einem Störfall und zwei Abschaltungen gekommen. Betroffen ist der seit 1977 in Betrieb befindliche Block 1: Am letzten Wochenende kam es zum ungeplanten Stopp, weil „beim Warten eines Sensors im nuklearen Teil die Leistung ausgefallen war“, ein Spannungsregler war defekt. Die Wiederinbetriebnahme erfolgte am Montag, doch schon Donnerstagmittag wurde der Meiler erneut vom Netz genommen, um ein Ventil im Dampfkreislauf im nicht-nuklearen Teil zu warten. Diese Serie unterstreicht einmal mehr die Forderung: Stilllegen - sofort!
Block 1 des französischen AKW Cattenom ist derzeit für die in Frankreich übliche und länger dauernde Zehn-Jahres-Inspektion abgeschaltet. Kürzlich wurde ein elektrischer Defekt an der Schleuse einer Notfallleitung festgestellt, was deren Bedienung aus dem Kontrollraum heraus unmöglich machte. Fällt der Primärkreislauf aus, soll über diese Schleuse der Zufluss an Kühlmittel in den Reaktorkern reguliert werden. Laut Betreiber EdF sei eine Ansteuerung „zu jeder Zeit aus dem Elektronikraum“ möglich gewesen, doch der Ausfall habe länger gedauert, „als durch die Betriebsregeln erlaubt“. Die Nuklearsicherheitsbehörde bewertete das Ereignis auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse auf die Stufe Eins, eine „Abweichung vom normalen Betrieb der Anlage“, wobei eine Nichtbehebung der Problemquelle allenfalls zu einem höherstufigen Folgeereignis führen kann.
Auch die Schweiz hat vergangene Woche eine Störung gemeldet: Bei einer Routinekontrolle im Atomkraftwerk Leibstadt sei bereits im Januar ein „fehlerhaft montierter Ölbehälter“ entdeckt worden. Dadurch war „eine Rückschlagklappe blockiert“, die im Anforderungsfall einen Druckausgleich zwischen Kühlwasserkreislauf und Notkühlwassersystem gewährleisten soll. Laut Nuklearaufsichtsbehörde ENSI wurde der Ölbehälter „im April 2015 falsch montiert“. Weil eine Funktionsprüfung nach Abschluss der Arbeiten nicht vorgeschrieben war, wurde der Fehler erst jetzt erkannt.
AKW Brokdorf vom Netz
Am Wochenende ist das Atomkraftwerk Brokdorf zur Jahresrevision vom Netz genommen worden. Das Revisionsprogramm enthält laut Betreiber Eon „den Tausch des Generatorläufers, die Inspektion von Brennelementen sowie die Prüfung von Dampferzeugern“. Neue Brennelemente werden während dieser Revision nicht eingesetzt. Bei diesem „umfangreichen Inspektions- und Instandhaltungsprogramm“ sind in der Vergangenheit oft Fehler gefunden worden, so dass aus dem Meiler an der Elbe höchstwahrscheinlich die nächste Störfallmeldung kommen wird.
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Quellen (Auszug): dw.com, swp.de, swr.de, luzernerzeitung.ch, wort.lu, borkenerzeitung.de, vattenfall.de; 7./10./11.6.16