AKW-Abschaltungen: Kein Schadensersatz für EnBW

07.04.2016 | Jan Becker

Nach dem Beginn der Katastrophe von Fukushima wurden im März 2011 acht alte deutsche Atomkraftwerke zwangsabgeschaltet. Neben weiteren Klagen wollen die Betreiber der AKW für drei Monate „Moratorium“ Schadensersatz vom Bund. Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW ist nun vor dem Landesgericht in Bonn damit gescheitert.

16.3.16: Protest vor dem Bundesverfassungsgericht
Foto: ausgestrahlt.de
16.3.16: Protest vor dem Bundesverfassungsgericht

Das Unternehmen habe keinen Anspruch auf nachträglichen Schadenersatz, urteilte das Gericht am Mittwoch. Der Konzern hätte umgehend nach der Abschaltungsanordnung Rechtsmittel einlegen müssen, das aber nicht getan. Erst Ende 2014 hatte EnBW sich zur Klage entschlossen, ein paar Tage vor der Verjährung möglicher Ansprüche. Der Atomkonzern, der fast vollständig dem Land Baden-Württemberg gehört, argumentierte, er habe „aktienrechtliche Verpflichtungen im Interesse der Aktionäre“ zu wahren.

Für die dreimonatige Abschaltung seiner Atomkraftwerke Neckarwestheim I und Philippsburg I forderte EnBW 261 Millionen Euro. Gegen das Bonner Urteil kann innerhalb eines Monats Berufung eingelegt werden. Der Konzern will den Erhalt der schriftlichen Urteilsbegründung abwarten, diese prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Bessere Chancen für RWE

Weil der hessische Energieversorger RWE umgehend auf die Zwangsabschaltung seiner beiden Blöcken des AKW Biblis reagierte, könnten dessen Erfolgsaussichten auf Entschädigung größer sein. Die Forderungen in dem seit Dezember 2015 laufenden Prozess summerieren sich auf 235 Millionen Euro. Die RichterInnen deuteten bereits an, dass die Höhe des Schadensersatzes etwa 50 Millionen Euro betragen könnte.

Zur Zeit sind mehr als 20 Verfahren gegen die Zwangsabschaltungen der acht alten Atomkraftwerke und gegen den Atomausstieg anhängig. Diese werden teilweise vor den Landgerichten, vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem internationalen Schiedsgericht ausgetragen. Die vier Atomkonzerne Eon, Vattenfall, RWE und EnBW fordern u.a. dafür, dass sie ihrer Ansicht nach durch die AKW-Abschaltungen „enteignet wurden“ insgesamt fast 20 Milliarden Euro vom Bund.

Atommüllproduktion stoppen - die letzten Meiler stilllegen!

Doch die selben AKW-Betreiber, die heute vor den Gerichten auf Schadensersatz klagen, wälzen das Schadensrisiko für den Fall eines schweren Atomunfalls seit Jahrzehnten auf die Bevölkerung ab. Die Regierung sollte sich von ihnen nicht länger an der Nase herumführen lassen und endlich Konsequenzen ziehen: Sie muss die weitere Produktion von Atommüll stoppen und das Atom-Risiko beenden. Auch den letzten acht noch laufenden Atomkraftwerken muss die Betriebsgenehmigung entzogen werden – bevor der Schaden noch größer wird.

Bundesregierung steht zu Atomausstieg

Zur Eröffnung einer Fachkonferenz zum Stand des Atomausstiegs anlässlich des 30. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Mittwoch bekräftigt: „Die Nutzung der Atomenergie war ein Irrweg“. Das zeigten die heute noch sichtbaren Auswirkungen von Tschernobyl, die vielen verwaisten Regionen in der Ukraine, Russland und Weißrussland. Der GAU „markiere eine Zäsur in der deutschen Atompolitik“, so Hendricks. Ein breites gesellschaftliches Bündnis sei es schließlich gewesen, „das den Gesinnungswandels eingeleitet habe“.

weiterlesen:

  • Vom Recht, abzuschalten
    16.03.2016 - Vor dem Bundesverfassungsgericht betont die Bundesregierung das ureigene Recht des Gesetzgebers, das Atom-Risiko zu bewerten und AKW gegebenenfalls stillzulegen.

  • Schadensersatz für AKW-Betrieb, nicht für AKW-Stilllegung!
    15. März 2016 - „Schaden entsteht nicht durch das Abschalten von Atomkraftwerken, sondern durch ihren Betrieb.“ - Zum Verhandlungsauftakt der Klagen der Atomkonzerne gegen die Abschaltung von acht Reaktoren infolge des Super-GAU von Fukushima protestierten AtomkraftgegnerInnen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

  • Biblis-Urteil: Schadenersatz-Forderungen sind ein Skandal
    15. Januar 2014 - Atomkraftgegner fordern von der Bundesregierung Verlängerung der Brennelementesteuer als Konsequenz aus dem Biblis-Urteil

Quellen (Auszug: faz.net, klimaretter.info, bundesregierung.de; 6.4.2016

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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