Nachdem bekannt geworden war, dass die nordrhein-westfälische Urananreicherungsanlage in Gronau Brennstoff für belgische und französische Pannenmeiler liefert, meldet sich nun ein Berliner Jura-Professor zu Wort: Die Landesregierung sei „zum Handeln verpflichtet“. Denn ein Reaktorunfall in Belgien gefährde auch das Leben und die Gesundheit der Menschen hierzulande.
Laut einer Recherche des WDR-Magazins WESTPOL landet das in Gronau angereicherte Uran zum Teil in den belgischen Pannenreaktoren Tihange und Doel. Diese werden selbst vom Bundesumweltministerium kritisch bewertet. Seitdem tausende Risse in den Reaktorbehältern gefunden wurden, fordern zahlreiche Kommunen und Länder die umgehende Stilllegung.
Joachim Ohnemus, Urenco-Direktor am Standort Deutschland, bestätigt die Lieferungen an die belgischen Anlagen. Als Tochterfirma des belgischen Energieunternehmens Electrabel ist Empfänger Synatom für das Segment der Atomenergie zuständig - und auch für die Brennstoff-Versorgung von Tihange und Doel.
„Die Urananreicherung im westfälischen Gronau trägt in erheblichem Ausmaß zum Betrieb der unkalkulierbar gefährlichen Reaktoren in Belgien und anderen Ländern bei. Was muss noch ans Licht kommen, bevor die NRW-Landesregierung endlich die Reißleine zieht und den Export von Uran-Brennstoff verbietet und gemäß dem eigenen Koalitionsvertrag die Urananreicherung in Gronau endlich beendet?“, fragt Udo Buchholz vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) gibt sich weiter machtlos: Er habe keine Handhabe, die Exporte zu stoppen. Eine Stilllegung der Anlage in Gronau sei Angelegenheit der Bundesregierung - und die sehe in diesem Fall offenbar „keinen Handlungsbedarf“.
Pannenmeiler gefährden Leben und Gesundheit
Laut Hans-Peter Schwintowski, Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin, habe die Landesregierung sehr wohl Handlungsmöglichkeiten, die Lieferung von Uranbrennstäben an Atomkraftwerke, die nach Experteneinschätzung als „gefährlich“ gelten, zu stoppen. Nach Atomgesetz und auch nach dem Europäischen Vertrag sei sie dazu sogar "verpflichtet“, so Schwintowski. Immerhin hätten Experten längst nachgewiesen, „dass durch einen Reaktorunfall in Belgien auch das Leben und die Gesundheit der Menschen in Deutschland gefährdet sein kann.“
„Die NRW-Landesregierung als Atomaufsicht darf sich nicht wegducken. Leben und Gesundheit der Bevölkerung haben Vorrang vor den Wirtschaftsinteressen der Urenco. Deshalb muss die Landesregierung gegenüber Urenco und Bundesregierung endlich den Atomausstieg durchsetzen,“ fordert Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
Regierungen kritisieren Pannenmeilern - unternehmen aber nichts dagegen
In einem Offenen Brief forderten kürzlich zahlreiche Umweltverbände und Anti-Atomkraft-Initiativen die Bundesregierung sowie die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auf, die Lieferungen von angereichertem Uran aus der Urananreicherungsanlage Gronau sowie von Brennelementen aus Lingen an die belgischen und französischen Pannenreaktoren in Tihange, Doel, Fessenheim und Cattenom einzustellen. Bund und Länder würden zwar „den Betrieb der heftig umstrittenen Atomreaktoren in Belgien und Frankreich zu Recht kritisieren, gleichzeitig aber nichts dagegen unternehmen“.
- Am Karfreitag, den 25. März, werden Proteste gegen den Weiterbetrieb der Gronauer Urananlage stattfinden. Um 12.00 Uhr beginnt ein gemeinsamer Ostermarsch von Anti-Atom- und Friedensbewegung.
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Quellen (Auszug): wdr.de, sofa-ms.de, bbu-online.de; 15.3.2016