Trotz langjähriger, garantierter Einspeisevergütungen und milliardenschweren Staatshilfen rechnet sich der Neubau des Atomkraftwerks am britischen Standort Hinkley Point nicht. Dieser Ansicht ist zumindest der bisherige Finanzchef des französischen Energiekonzerns Electricité de France (EDF), Thomas Piquemal - und schließt sich damit offenbar der Kritik von AtomkraftgegnerInnen an.
Der interne Streit bei Frankreichs größtem Atomstrom-Betreiber über die Entscheidung, sich in das AKW-Projekt Hinkley Point C einzubringen, schlägt hohe Wellen: Der bisherige EDF-Finanzchef hatte eine endgültige Entscheidung, ob sich der Konzern an dem umstrittenen Milliardenprojekt beteiligt, auf April verschoben. Andere Quellen sprechen davon, dass er erbeten habe, den Entscheid über Hinkley Point bis zur Inbetriebnahme des EPR-AKW Flamanville in voraussichtlich drei Jahren aufzuschieben. Eine frühere Festlegung „könne den Konzern finanziell gefährden“, soll Piquemal gewarnt haben. Unterstützung findet Piquemal unter GewerkschaftsvertreterInnen im Aufsichtsrat.
Er widersetzt sich damit offenbar dem vom CEO Jean-Bernard Levy unter dem politischen Druck der Regierungen in Paris und London weiter vorangetriebenen AKW-Projekt. Ein definitiver Investitionsentscheid solle „in Kürze“ gefällt werden, heißt es offiziell. Piquemal hat als Konsequenz aus diesem Streit nun seinen Posten zur Verfügung gestellt.
EDF soll nach bisherigen Plänen den Großteil der geplanten Kosten von mindestens 22 Milliarden Euro stemmen, rund ein Drittel sollen zwei chinesische Partner schultern.
Doch schon jetzt ist die französische Atomindustrie schwer verschuldet und steht wirtschaftlich vor dem Abgrund. Der Stromkonzern ist zu über 85 Prozent im Besitz des französischen Staates, musste im letzten Jahr deutliche Gewinneinbußen hinnehmen, hatte per Ende 2015 einen Schuldenberg von 37,4 Milliarden Euro aufgetürmt und sieht sich in Frankreich mit wachsenden Kosten durch die Atomkraft konfrontiert. Die Meiler werden immer älter und müssen umfangreich nachgerüstet werden. Schätzungen belaufen sich auf etwa 50 Milliarden Euro für Modernisierungen in den 58 EDF-Meilern bis 2025. Weitere 2,5 Milliarden Euro muss EDF in die Rettung es Atomkonzerns Areva stecken. Und fast nebenbei ist die Atommüll-Lagerung völlig ungeklärt und das AKW-Neubauprojekt von Flamanville wird immer teurer.
„Mit einer Investitionsentscheidung für Hinkley Point C wäre EDF noch einen Schritt weiter am Abgrund“, warnen AtomkraftgegnerInnen. „Immer mehr Investoren springen wegen der Unsicherheiten und der Unwirtschaftlichkeit ab. Dass nun sogar Finanzchef Thomas Piquemal das Handtuch wirft, zeigt, wie hart der Kampf um diese Investentscheidung geführt wird und wie riskant eine Investitionsentscheidung wäre“, so Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Rudi Anschober, der sich stark gegen das Hinkley-Projekt engagiert. „Schaffen wir es, diesen einzigen, derzeit konkret mit Milliardensubventionen geplanten Neubau eines AKW in der EU zu stoppen, dann stoppen wir den Neubau von AKW in der EU insgesamt - denn ohne Subventionen keine Neubauten, da die Wirtschaftlichkeit vollends fehlt.“
Massenbeschwerden gegen Subventionen für AKW Hinkley Point
Gemeinsam mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) und vielen anderen Organisationen hatte .ausgestrahlt in der zweiten Jahreshälfte 2015 zur Beschwerde an die EU-Kommission aufgerufen, die massive Subventionen des britischen Staates für einen AKW-Neubau bewilligt hatte. 179.065 Menschen machten mit; über 1,8 Tonnen Beschwerdebriefe gingen in Postsäcken auf die Reise von Freiburg nach Brüssel.
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05.02.2016 - Die Gesamtkosten für den Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point könnten laut einer neuen Studie um weitere Milliarden Euro steigen. Die nötigen Ausgaben für die Atommülllagerung der hochradioaktiven Abfälle seien bisher „zu niedrig“ angesetzt worden. -
Hinkley Point: Anfang vom Ende des Atomzeitalters
24.06.2015 - Mehr als 171.000 Menschen und 30 deutsche und internationale Umweltschutzorganisationen richten eine Beschwerde an die EU-Kommission: Kein AKW-Neubau im britischen Hinkley Point! Denn dieser Bau soll nach neuesten Informationen mit über 100 Milliarden Euro Steuergeldern subventioniert werden. In dieser Woche beschloss die österreichische Regierung zudem offiziell ihre Klage gegen die EU-Subventionen. Eingereicht werden soll sie am Montag.
Quellen (Auszug): nzz.ch, klimaretter.info, oekonews.at; 7.3.2016