Sogenannte „freigemessene Abfälle“ aus dem Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim-1 sollen in den nächsten Jahren auf einer Bauschuttdeponie bei Ludwigsburg „entsorgt“ werden. Mit einem Infoabend setzen sich BürgerInnen mit dieser schwierigen Thematik auseinander. Die Ärzteorganisation IPPNW wirbt unterdessen für eine völlig andere Rückbauvariante.
Ende Januar warnte der IPPNW erneut vor dem Risiko, dass der Rückbau der Atomanlagen birgt: Beim Abriss stillgelegter Atomkraftwerke fallen neben stark strahlenden Abfall auch große Mengen Baumaterialien wie Stahl und Beton an, die geringfügig radioaktiv kontaminiert sind. Werden bestimmte Grenzwerte unterschritten, sollen diese Materialien auf Hausmülldeponien gelagert oder in den normalen Wirtschaftskreislauf eingespeist werden. Doch selbst eine geringfügige zusätzliche Strahlenbelastung „bedeutet ein gesundheitliches Risiko“, warnen die Experten. Die sogenannte Freigabe radioaktiven Materials sei daher „aus gesundheitlichen Gründen nicht akzeptabel“.
Ganz konkret könnte dieses Risiko für die Menschen von Schwieberdingen bei Ludwigsburg werden. Der Betreiber des Atomkraftwerks Neckarwestheim plant auf der dortigen „Inertstoffdeponie Am Froschgraben“ große Mengen der „freigemessenen“ Abfälle zu lagern.
Am Dienstag abend (23. Februar) findet in Schwieberdingen deshalb eine öffentliche Infoveranstaltung statt. Unter anderem wird dabei Dr. Werner Neumann, Gutachter und Energiepolitischer Sprecher des BUND Deutschland, seine Kritik am „offiziellen System der FREImessung“ erneuern. Franz Wagner, der u.a. in der Arbeitsgruppe „AtomErbe Neckarwestheim“ mitarbeitet, wird mit einem Vortrag „Vorfahrt für AKW- und Deponiebetreiber - Wo bleiben die Rechte der Bürger?“ die konkreten Möglichkeiten für Widerstand vor Ort untermauern.
Dienstag, 23. Februar 2016, um 19.30 Uhr in der Bruckmühle, Vaihinger Straße 23 in Schwieberdingen
Alle AKW-Betreiber haben sich für den zügigen Abriss der 2011 im Zuge der Fukushima-Katastrophe stillgelegten Meiler entschieden. Die Ärzteorganisation IPPNW fordert stattdessen den „unbefristeten, dauerhaften Einschlusses von Atomkraftwerken“. Ende Januar appellierten sie an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, diese Option für die zum Abriss anstehenden Anlagen wie Neckarwestheim-1 zu prüfen.
Anderer Umgang mit AKW-Altlasten
Bisher hat es diese Variante im Umgang mit der Altlast AKW in Deutschland nicht gegeben. Neben dem ”direkten Rückbau“ wurden zwei Anlagen - das AKW Lingen-1 und der Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop - in einen „temporären Einschluss“ überführt. Dabei werden erst die Brennelemente und alle anderen radioaktiven Medien, Kühlmittel, Hilfsstoffe, Gase etc. sowie alle Brandlasten entfernt und anschließend der Reaktor für ca. 25 Jahre „zubetoniert“. In diesem Zeitraum verliert die Radioaktivität in Intensität, was den dann folgenden Abriss erleichtern soll. Abgeschlossen wurde in Deutschland ein solches Projekt allerdings bislang nicht.
Sofern es aber die Standortbedingungen am Atomkraftwerk und die Standfestigkeit der verbleibenden Gebäudestrukturen zulassen, wäre ein dauerhafter Einschlusses als neue Variante einem Rückbau vorzuziehen, plädiert der IPPNW. Denn dadurch könnte die Gefährdung der Bevölkerung minimiert werden.
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Hintergrund: AKW-Abriss und Atomschutt - Atommüll wird unsichtbar
Abgeschaltet und im Rückbau begriffen – nach dem Abriss eines AKW bleiben tausende Tonnen radioaktives Material zurück. Der Skandal: Es sind allein die Betreiber, die über die grobe Strategie und die Details der Stilllegung und des Abrisses entscheiden. Öffentlichkeitsbeteiligung? Fehlanzeige! Der größte Teil des strahlenden Bauschutts wird nicht als Atommüll behandelt und gelagert, sondern per sogenannter Freimessung umdeklariert und soll dann kostengünstig auf Hausmülldeponien verscharrt werden. -
Nach AnwohnerInnen-Protest: Kein AKW-Schutt mehr nach Sachsen
23.06.2015 - Erfolg für AtomkraftgegnerInnen in Sachsen: Nach Aufklärungsarbeit auch von .ausgestrahlt soll künftig kein zusätzlicher, schwach-radioaktiver Bauschutt aus Atomkraftwerken auf dortigen Deponien entsorgt werden. 600 Tonnen aus dem im „Rückbau“ befindlichen AKW Würgassen werden allerdings noch geliefert.
Quellen (Auszug): ippnw.de, 22.2.2016