Seit über 40 Jahren setzt Deutschland für die tiefengeologische Lagerung hochradioaktiver Abfälle auf Salzgestein: Der Standort Gorleben wurde und wird favorisiert die Ewigkeitslast aufzunehmen. Doch Forschungsprojekte beschäftigen sich durchaus mit Alternativen: Könnte Tongestein eine langfristige, „sichere“ Lagerung ermöglichen?
Ein 2007 im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angefertiger Bericht benennt nach bestimmten geologischen Kriterien, wie Formationsmächtigkeit und -ausdehnung, Teufe, Unverritztheit, mineralogische Eigenschaften oder Lage in Erdbebengebieten, untersuchungswürdige Tonsteinformationen, die sich in der Kreide Norddeutschlands und im Jura Nord- und Süddeutschlands befinden. Auf der Landkarte zieht sich ein breites, farbliches Band quer durch Norddeutschland sowie durch das Grenzgebiet von Baden-Württemberg und Bayern.
Gegenüber Steinsalz besitzt Ton eine geringere Durchlässigkeit und eine hohe Sorptionsfähigkeit für Radionuklide. Es ist also kaum wasserlöslich und auch kaum wasserdurchlässig. Dadurch könnte eine mögliche Freisetzung von Radionukliden und anderen Stoffen aus einem Atommülllager „deutlich verzögert“ werden, erklärt die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) in ihrem Internetauftritt „www.endlagerung.de“. Die GNS betreibt übrigens auch das Castor-Zwischenlager in Gorleben.
Ton darf allerdings dauerhaft nur bis zu einer Temperatur von 100 Grad Celsius thermisch belastet werden (Salz: 200 Grad Celsius) , da sonst Veränderungen in der Kristallstruktur der Wirtsgesteine nicht ausgeschlossen werden können. Zudem leitet Ton im Vergleich zu Salz Wärme schlechter ab. Damit sind längere Abklingzeiten in einem Zwischenlager über Tage und für die Einlagerung in einem Bergwerk eine größere Fläche für die gleiche Menge wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle nötig. Das wiederrum ist entscheidend für die notwendige Mächtigkeit einer Tonformation. Außerdem ist die Standsicherheit künstlich geschaffener Hohlräume wie Strecken und Grubenräume geringer als in Salz, was den bergmännischen Ausbau der Strecken mit technischen Hilfsmitteln erfordert.
In verschiedenen Forschungsprojekten werden derzeit Methoden und Werkzeuge entwickelt, um zu klären, welche Tongesteine in der Lage sind, radioaktiv strahlende Materialien langfristig zurückzuhalten. Im September 2015 erhielt die Unversität des Saarlands für die kommenden drei Jahre 458.000 Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ein Team der Uni ist in Kooperation mit weiteren Universitäten in Deutschland seit 2006 an einem Forschungsverbund beteiligt. Dieser Verbund überprüft, ob sich Tongestein als geologische Barriere eines künftigen Atommülllagers für hochradioaktive Abfälle eignet. Dafür wurden insgesamt rund 1,9 Millionen Euro an Drittmitteln bewilligt.
„Wir müssen klären, in wie weit und wie lange die Materialien so noch in der Lage sind, die radioaktiven Stoffe zurückzuhalten“
Die Forscher haben Szenarien entworfen, bei denen Atommüll in Stahlbehältern in großen Bohrlöchern tief unter der Erde in Tongestein eingelagert wird und es zu einem Wassereinbruch kommt. Die Behälter überdauern die extrem große Zeitspanne nicht. Somit ist für eine Langzeitsicherheit allein das umgebende Gestein verantwortlich.
Normalerweise werden Metalle – so auch das radioaktive Material wie zum Beispiel Uran, Neptunium und Plutonium oder deren chemische Stellvertreter – vom Tongestein festgehalten. Dringt jedoch im Laufe der langen Zeitspanne Salzwasser in das Lager ein, würden die Salze das Gestein und den Beton angreifen und Korrosionen hervorrufen, erklärt Ralf Kautenburger, promovierter Chemiker an der Universität des Saarlandes und Verantwortlicher für das Forscherteam im September. Dadurch würden Stoffe freigesetzt werden, die etwa die Rückhaltefähigkeit des Tongesteins und des Betons herabsetzen könnten. Es stellt sich dann die Frage, ob sich die radioaktiven Nuklide vor Ort an Oberflächen ablagern und dort unbeweglich verharren. Oder ob etwa organische Materialien, die in natürlichen Grundwässern vorkommen, die Verbreitung von radioaktiven Substanzen sogar beschleunigen.
„Diese natürlich vorkommenden Stoffe können je nach potentiellem Standort in unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration auftreten und durch ihre Komplexierungseigenschaften die Mobilität der Radionuklide im Umfeld eines Endlagers entscheidend beeinflussen“, so Ralf Kautenburger. Doch diese organische Substanzen lassen sich in ihrer Wechselwirkung wesentlich schwieriger analysieren.
Erklärtes Ziel der Projekte ist, künftig mögliche Standorte für ein Atommülllager „schneller und zuverlässiger untersuchen zu können“. Doch bevor es dazu kommt, braucht es Antworten auf viele offene Fragen.
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02.12.2015 - Die bishierige Suche nach einem tiefengeologischen Lager für hochradioaktiven Atommüll verlief in Deutschland entlang der „Salzlinie“. Anstatt wie andere Länder auch alternative Gesteinsarten zu untersuchen, wurde unbeirrt seit über 40 Jahren am Standort Gorleben festgehalten. Laut einer neuen Studie eignet sich Steinsalz aber „äußerst schlecht“.
Quellen (Auszug): endlagerung.de, taz.de; Informationsdienst Wissenschaft (idw) vom 10.02.2010, 27.02.2012 und 18.09.2015