Für eine Überraschung sorgte kürzlich eine Meldung vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): Aus dem Atommülllager Asse-2 sind mehr als 100 Fässer mit radioaktivem Inhalt geborgen worden. Bislang galt das unmöglich, bis ein zweiter Schacht fertiggestellt wurde.
Nach Angaben der Wolfenbütteler AtomAusstiegsGruppe (WAAG) handelt es sich um mehr als 100 Fässer mit schwachradioaktiven Abfällen, die in den Jahren 2013 und 2014 aus dem Bergwerk geholt und in ein Zwischenlager gebracht wurden. Es seien aber keine Fässer aus den eigentlichen Einlagerungskammern, sondern Abfall aus Langzeitversuchen.
Seit 1979 wurden in der Asse-2 auch Forschungsprojekte durchgeführt, u.a. wie sich radioaktive Stoffe in Betonproben verhalten, wenn sie mit unterschiedlichen Salzlösungen zusammentreffen. Nachdem die Versuchsreihen 2012 beendet wurden, begann 2013 die Bergung der Fässer mit radioaktiven Abfällen. Der Abtransport erfolgte in Landessammelstellen, berichtet das BfS.
Tabubruch
Was dabei verwundert ist die Tatsache, dass die Fässer über den einzigen vorhandenen Schacht an die Oberfläche transportiert wurden. Bislang galt dieses Verfahren als nicht möglich, weil der Transport von Personal und Atommüll aus Sicherheitsgründen räumlich getrennt voneinander erfolgen soll.
Weil nun doch Atommüll über diesen einzigen Schacht befördert wurde, sprechen AtomkraftgegnerInnen aus Wolfenbüttel von einem „Tabubruch“ und „Sinneswandel“, der aber offenbar schon 2013 eingesetzt hat. Daher sei die Öffentlichkeit ungenügend über diesen Sachverhalt informiert worden und die vom BfS versprochene „größtmögliche Transparenz“ werde damit nicht erfüllt.
Früherer Bergungsbeginn möglich
Der Betreiber geht derzeit von einem Bergungsbeginn der 126.000 Atommüll-Fässer nicht vor 2033 aus. Ob die Standsicherheit der Asse-2, in die täglich tausende Liter Wasser eindringen, bis dahin gewährleistet ist mag niemand prognostizieren. Für den Bau eines zweiten Schachtes, durch den der Atommüll an die Oberfläche geholt werden soll, wurden Probebohrungen durchgeführt.
Die AktivistInnen der WAAG sehen nach diesem „Tabubruch“ die Möglichkeit, dass zumindest ein Teil des Atommülls schneller aus der Asse geholt werden könne. Das BfS bestätigte im Dezember sogar, dass es diese Massnahme für „leicht zugänglichen“ Abfall derzeit prüfe und entsprechende Anträge gestellt habe.
Doch über Tage gibt es weiterhin Streit, wo ein Zwischenlager gebaut werden könnte. Völlig unklar ist auch, wohin der Atommüll nach der Bergung und Neuverpackung letztlich gebracht werden soll.
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Quellen (Auszug): taz.de, waagwf.wordpress.com, bfs.de; 18.1.2016