Als „wegweisendes“ Klimaabkommen werden die COP21-Vereinbarungen von Paris gefeiert. Doch sie öffnen auch Tür und Tor für den Ausbau der Atomkraft. Lobbyorganisationen und Atomfirmen wittern neue Überlebenschancen. In internationalen Abkommen wird ein Comeback verhandelt und auch die EU schafft Möglichkeiten. Doch dieser „seltsame Weg“ für Klimaschutz beinhaltet ein hohes Risiko, enorme Folgekosten und kann nur durch staatliche Milliardensubventionen funktionieren.
Kraftwerke, die mit Kohle, Gas oder auch mit Öl befeuert werden, haben gemäß der Klimavereinbarung keine Zukunft mehr. In den kommenden Jahrzehnten sollen diese Dreckschleudern vom Netz gehen, weil sie viel zu viel klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre emittieren.
Unter dem Motto „Nuclear for Climate“ wirbt die Atomlobby für den Bau von neuen Atomkraftwerken, um weltweit den künftigen Strombedarf zu sichern. Die „World Nuclear Association“ propagiert 1.000 neuen Meilern bis 2050. Direkt nach dem Klimaabkommen äußerte sich auch das deutsche „Atomforum“ und lobte die Atomkraft, die schon heute „weltweit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz“ leiste.
EU fördert den Ausbau von Atomkraft
England plant den Bau eines Atomkraftwerks mit etwa 100 Milliarden Euro zu subventionieren. Über die Vereinbarkeit dieser Verwendung von Steuergeldern mit EU-Wettbewerbsrecht gibt es seit Monaten Streit. Das Europäische Parlament hat zwar eine direkte AKW-Förderung aus EU-Mitteln abgelehnt. Dennoch wurde kürzlich ein Entschluss zur künftigen Energieunion angenommen, mit welcher der „Energiebinnenmarkt in der EU verwirklicht, die Versorgung gesichert und die CO2-Emissionen gesenkt“ werden sollen. Dabei ist auch inbegriffen, dass „geeignete Rahmenbedingungen“ für jene Staaten geschaffen werden sollen, die die Atomenergie vorantreiben wollen.
TISA-Freihandelsabkommen öffnet Tür für Atomenergie
KritikerInnen nennen das TISA (Trade in Services Agreement)-Abkommen, durch das nationale Märkte für ausländische Anbieter von Dienstleistungen geöffnet werden sollen, den „großen Bruder“ des umstrittenen TTIP-Freihandelsvertrags. Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat jetzt neue, bisher geheime Dokumente zu TISA veröffentlicht, die den Energiesektor betreffen.
Die Vertragsparteien sollen demnach einen „verpflichtenden Marktzugang“ für ausländische Unternehmen vereinbaren sowie „technologische Neutralität“. In einem Anhang zum TISA-Entwurf heisse es, die von den Staaten einzugehenden Verpflichtungen „erstrecken sich auf alle Energiebereiche, unabhängig von der Quelle und Technologie“. Zudem wird den nationalstaatlichen Behörden „das Recht verweigert, Sonnen- von Kernenergie, Wind von Kohle, oder geothermische Energiegewinnung von Fracking zu unterscheiden“.
„Seltsamer Weg“: Risiko, enorme Folgekosten, Milliardensubventionen
Björn Finke, Wirtschaftskorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, warnt in einem Kommentar vom 15. Dezember: Setzen Staaten auf Atomenergie, halsen sie sich „enorme Folgekosten“ auf. Die aktuelle Diskussion zwischen Bundesregierung und Stromkonzernen zur Übernahme der Entsorgungskosten zeige, dass selbst in Deutschland die betroffenen Konzerne damit überfordert sein könnten. Dazu kommt das Risiko, dass beim Betrieb der Meiler oder bei der Atommülllagerung doch etwas schief läuft. Ein Störfall in einem Atomkraftwerk kann dramatisch enden – das gelte für Windparks nicht.
Als „seltsam“ beschreibt Finke den britischen Weg, den Bau neuer Atomkraftwerke „mit Geld zu überschütten“. Statt auf die viel zu teure „Technik von gestern“ zu setzen, sollten Politiker lieber in eine grüne Zukunft, in erneuerbare Energien, investieren.
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- Klimaschutz: Risikopotential verbietet Atomkraft als Lösung
1. Dezember 2015 — Eine weltweite Initiative unter dem Motto „Nuclear for Climate“ wirbt derzeit dafür, dass die politischen Entscheidungsträger die Atomkraft im Rahmen der Pariser Klimakonferenz COP21 berücksichtigen. Sie sei „Teil der Lösung, um den Klimawandel zu bekämpfen“, schreiben die Lobbyverbände. Doch betrachtet man allein das Risikopotential, muss (nicht nur) der Zubau von Atomkraftwerken verboten werden.
- Atomkraft ist auch kein französischer Klimaretter
3. November 2015 — Ist Atomstrom ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Treibhaus-Gase und Erderwärmung? Einen Monat vor dem Klimagipfel COP21 in Paris gibt eine kürzlich veröffentlichte Studie deutlich Antwort. Doch ausgerechnet das COP-Gastgeberland verkündet umfangreiche AKW-Neubaupläne.
- Hintergrund: Atomenergie dient nicht dem Klimaschutz (pdf-Broschüre)
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- Die Unsicherheit von Atomkraftwerken
Die Schwachstellen der AKW: Reaktorgebäude, Kühlkreislauf, Elektrik – wir zeigen, wo genau die Unsicherheitsfaktoren der AKW liegen
Quellen (Auszug): sueddeutsche.de, atomforum.de, windkraft-journal.de, zurzeit.eu; 15./16.17.12.2015