Sollte die Stromversorgung in einem Atomkraftwerk ausfallen, stehen große Dieselgeneratoren bereit um u.a. die Kühlsysteme mit Energie zu versorgen. In Gundremmingen und Geesthacht gab es in den letzten Tagen mit diesen Maschinen Probleme.
Im seit 2010 abgeschalteten Forschungsreaktor Geesthacht, welches sich nahe dem AKW Krümmel befindet, wurde als Ursache für die Nicht-Verfügbarkeit eines Notstromaggregats ein defekter Generatorschalter ermittelt. Dieser verhinderte, dass der Stromerzeuger mit dem Verbrauchsnetz verbunden werden konnte. Laut Aufsichtsbehörde dient die Notstromanlage „zur Stromversorgung bei Ausfall der öffentlichen Stromnetzanbindung“. Im Vergleich zum AKW Gundremmingen gestaltet sich dieses Ereignis in Geesthacht unproblematisch, weil bereits alle Brennelemente die Anlage verlassen haben. Trotzdem musste es der Aufsichtsbehörde gemeldet werden.
Aus dem bayerischen AKW Gundremmingen Block-C musste der Betreiber RWE den Aufsichtsbehörden ebenfalls ein „meldepflichtiges Ereignis“ mitteilen: Am 3.12.2015 sei der Notstrom-Dieselgenerator 33 GY30 bei einer Prüfung nicht wie vorgesehen gestartet. Die „10-kV-Notstromschiene 33 BW mit ihren unterlagerten Schienen blieb für ca. 4 Minuten spannungslos“, berichtet die Atomaufsicht Bayern. Im Anforderungsfall wäre der zu versorgende Strang des Nachkühlsystems spannungslos geblieben.
Stromversorgung ist existentiell gegen Kernschmelze
Selbst in abgeschalteten Reaktoranlagen muss jederzeit Strom zur Verfügung stehen, damit zum Beispiel die Kühlpumpen die Restwärme aus den Lagerbecken der Brennelemente abführen und Steuerungs- und Überwachungsanlagen betrieben werden können. Elektrische Energie für die Anlagen kann entweder der Atommeiler selbst liefern oder – bei abgeschalteter Anlage – das Stromnetz von außen. Kommt es allerdings auch zu einer Unterbrechung dieser Stromzufuhr springen innerhalb kurzer Zeit die Notstromgeneratoren im Innern des AKW an. Weil eingeplant ist, dass die Maschinen „auch mal ausfallen“, wurden im AKW Gundremmingen statt zwei, für den Notbetrieb notwendige Generatoren, gleich sechs Notstromgeneratoren verbaut. Andere Meiler haben nur vier redundante Systeme.
Legt man diesen extremen Umstand zugrunde: Reaktorschnellabschaltung UND gleichzeitig eine Unterbrechung der externen Stromversorgung, so sind die Stromaggregate also existentiell zur Abwendung einer Überhitzung des Reaktors, also auch einer Kernschmelze notwendig.
Dass dieser Störfallverlauf nicht völlig abwegig ist, zeigen zwei Beispiele:
Am 13. Januar 1977 kam es im Stromnetz, das Energie aus dem Atomkraftwerk Gundremmingen A abführt, witterungsbedingt zu Kurzschlüssen in beiden vorhandenen Leitungen. Damit gab es keine Möglichkeit mehr, den mit 237 Megawatt elektrischer Nettoleistung erzeugten Strom abzutransportieren. Im Anschluss hätten die Turbinen und die Dampferzeugung im Reaktor so weit automatisch gedrosselt werden müssen, dass nur noch elektrischer Strom für den Eigenverbrauch des Atomkraftwerks selbst – etwa 15 Megawatt – produziert worden wären.
Doch wegen Fehlern in der Regelung und falschen Folgeentscheidungen kam es zur Freisetzung von 400 Kubikmeter heißen und radioaktiven Kühlwassers in das Reaktorgebäude. RWE verkündete nur wenige Wochen später, alles sei „entseucht“ und das Kraftwerk könne wieder in Betrieb gehen. Bei Untersuchungen wurden aber auch noch zahlreiche Rohranrisse gefunden. Die Erfüllung von Behördenauflagen, Nachrüstungen und der Austausch der Rohre waren RWE schließlich zu teuer – und Gundremmingen A wurde Jahre nach dem auslösenden Ereignis für immer stillgelegt.
Auch im schwedischen Atomkraftwerk Forsmark kam es am 25. Juli 2006 zu einem Kurzschluss außerhalb des Kraftwerks. Die Anlage wurde vom Netz getrennt und eine automatische Reaktorschnellabschaltung durchgeführt. Doch Teile des Notkühlsystems sprangen nicht an, zwei der insgesamt vier vorhandenen Dieselgeneratoren versagten ihren Dienst. Außerdem fielen Computer, Lautsprecher und Anzeigegeräte aus. Für 20 Minuten lief der Reaktor „im Geisterbetrieb“, bis die Belegschaft die Notstromdiesel manuell in Betrieb nehmen konnten. Laut kritischen Unfallanalysen war es „lediglich dem Zufall geschuldet“, dass durch den Kurzschluss nicht alle Notstrom-Untersysteme ausgefallen waren.
Nach Ansicht des früheren Forsmark-Chefkonstrukteurs Lars-Olov Höglund war man bei dem Störfall nur etwa 20 Minuten von einem „GAU“ durch Kernschmelze entfernt gewesen. Ursache für diese Verkettung von Umständen sei laut Höglund eine „fehlerhaft durchgeführte Modernisierung der Stromversorgung“ gewesen, von der sowohl der Betreiber Vattenfall als auch die schwedische Atomaufsicht gewusst hätten.
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26. November 2015 — In den vergangenen Tagen wurden in zwei deutschen Atomkraftwerken Lecks gefunden. Die betroffenen Kühlsysteme sind sensible Bereiche, weil selbst bei abgeschalteten Reaktoren die durch den radioaktiven Zerfall in Brennelementen entstehende Hitze jederzeit sicher abgeführt werden muss. Die aktuellen meldepflichtigen Störfälle betreffen die AKW Grafenrheinfeld und Emsland. Letzteres soll laut Atomausstiegsgesetz noch bis Ende 2022 in Betrieb bleiben.
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Quellen (Auszug): kkw-gundremmingen.de, stmuv.bayern.de, schleswig-holstein.de; 9./10.12.2015