Ein „Sturm der Entrüstung“ entlädt sich in Richtung Belgien, dass kürzlich die Wiederinbetriebnahme der beiden Atomkraftwerke Doel-3 und Tihange-2 in Aussicht gestellt hat. In beiden Meilern waren tausende Risse im Reaktorbehälter gefunden worden. „Ohne Einfluss auf den sicheren Betrieb“, urteilt die Atomaufsicht.
Am 17.11.2015 erklärte die belgische Atomaufsicht (FANC), dass man nach „eingehenden wissenschaftlichen Prüfungen“ zu dem Schluss gekommen sei, dass die im Sommer 2012 entdeckten „Anomalien im Material der Druckbehälterwand von Doel-3 und Tihange-2 keinen negativen Einfluss auf den sicheren Betrieb der Druckwasserreaktoreinheiten“ hätten. Die Betreiberin Electrabel SA habe bereits mit den vorbereitenden Arbeiten zum Wiederanfahren begonnen, die etwa vier Wochen dauern würden.
Diese Entscheidung der FANC hat einen „Sturm der Entrüstung“ ausgelöst. Im Verlauf mehrerer Monate hatte ein Netzwerk von Bürgerinitiativen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland bis Anfang November über 65.000 Unterschriften gegen die Neustarts gesammelt. Nach der FANC-Veröffentlichung sei die Zahl der Unterzeichner auf mittlerweile über 100.000 „explodiert“, berichten die Initiatoren der Petition. Zusätzlich seien noch etwa 8.000 Unterschriften auf Papierlisten gesammelt worden.
AtomkraftgegnerInnen fordern, dass die beiden Meiler nicht wieder ans Netz dürfen, wenn die Ursache der Risse „nicht zweifelsfrei geklärt ist und eine Veränderung der Rissgrößen im laufenden Betrieb nicht definitiv ausgeschlossen werden kann“. Es gäbe keinen Nachweis, dass „Reaktoren mit Rissen“ ein gleiches Sicherheitsniveau wie „Reaktoren ohne Risse“ besitzen.
In der ersten Dezemberwoche wird die Petition dem belgischen Innenminister und stellvertretenden Regierungschef Jan Jambon übergeben. Dieser trage mit seiner Unterschrift, die er unter die Neustartempfehlung der FANC setzen will, die „politische Verantwortung für die Sicherheit von Millionen Menschen“, so die KritikerInnen.
weiterlesen:
- Risse in Reaktoren: Belgien warnt die Welt vor bislang unterschätzen Korrosionsaspekten
19. Februar 2015 — Die belgische Atomaufsicht spricht von einem „Problem für den ganzen Nuklearsektor“: In den Reaktordruckbehältern der beiden Atomkraftwerke Doel-3 und Tihange-2 waren bereits im Sommer 2012 tausende Risse gefunden worden. Eine neue Analyse ergab, dass es sich um noch größere Schäden handelt als bislang bekannt. AtomkraftgegnerInnen fordern nun weltweite Untersuchungen.
- 1.000 Risse im ältesten AKW der Welt
9. Oktober 2015 — Mitten in Europa befindet sich das älteste Atomkraftwerk der Welt: Der Block 1 des AKW Beznau in der Schweiz wurde am 1. September 1969 in Betrieb genommen. Im Herzen des Meilers, dem Reaktorbehälter, sollen sich 1.000 Risse oder sogar Löcher befinden. Das zur Zeit abgeschaltete Kraftwerk wird deshalb wohl nie wieder in Betrieb gehen können.
Quellen (Auszug): anti-akw-ac.de, nuklearforum.ch; 26.11.2015