Verantwortung, Transparenz und Bürgerbeteiligung sehen anders aus. Harsche Kritik müssen der Atomkonzern RWE und das Land Baden-Württemberg von AtomkraftgegnerInnen einstecken. Nach drei Jahren „engagierter Mitarbeit“ verlassen sie die Infokommission zum Atomkraftwerk Neckarwestheim. Nicht Abschalten sei offenbar „das entscheidende Ziel“, die Infokommission stütze den AKW-Weiterbetrieb, so die KritikerInnen.
„Mehr Transparenz und Informationen für die Bevölkerung rund um das Thema Sicherheit von Kernkraftwerken“, so beschreiben die „Informationskommissionen an den Kernkraftstandorten in Baden-Württemberg“ ihre Aufgabe. Beteiligt sind Landtagsabgeordnete und Vertreter der Kommunen, Umweltverbände, Bürgerinitiativen vor Ort, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände.
Die im Juli 2012 im Zuge des Atomausstiegs konstituierten Gremien an den Standorten Neckarwestheim und Philippsburg ergänzen die herkömmliche Öffentlichkeitsarbeit wie Pressemitteilungen und Publikationen im Internet um öffentliche Veranstaltungen, die drei Mal im Jahr stattfinden. Dort sollen sich BürgerInnen, Fachleute und PolitikerInnen begegnen.
Der BUND begrüßte damals die Einrichtung und entsandt örtliche VertreterInnen. Doch bereits nach dem ersten Termin kamm die Frage auf: Handelt es sich um eine „Beteiligungsshow“ oder einen „echten Dialog“? Kritische Fragen sollten „ein selbstverständlicher Teil der Sitzungen werden“. Doch genau diese seien zum Teil „abgeblockt, Anregungen des BUND und von Bürgerinitiativen vom Tisch gewischt“ worden.
Drei Jahre später resümmiert der Bund der Bürgerinitiativen mittlerer Neckar (BBMN): Durch die mehrjährige ehrenamtliche Mitarbeit in dem Gremium, seien zwar „viele Gefahren des Weiterbetriebs der AKWs“ benannt worden. Die Missstände seien sogar teilweise „von den Experten des Ministeriums bestätigt“ worden, doch fehle eine angemessene Reaktion, so F. Wagner vom BBMN-Kommissions-Team. Die Kommission solle wohl als „Beruhigungspille der Bevölkerung dienen“, das erkennbare Ziel der Landesregierung sei „der Weiterbetrieb der AKWs“.
Der Bürger wird nur als Störfaktor angesehen
Aus Sicht der Bürgerinitiativen hatte die Kommission von Anfang an nie Interesse an einer tatsächlichen Bürgerbeteiligung. Der Beleg dafür sei allein eine ganze Reihe von Maßnahmen: Ein abgelegener Ort, Ausschluss der Stadt Heilbronn, keine Videoaufzeichnung, kein Honorar für unabhängige Referenten, Verbot von Zuhörer-Fragen. Vorschläge, wie etwa zur Ortsrotation, seien immer abgelehnt worden. Die Bürger sind völlig unterrepräsentiert. Bürgermeister, Landräte und Abgeordnete stellen 12 von 17 Mitgliedern. Zudem habe die Kommission überhaupt keine Entscheidungsbefugnisse bezüglich atomrechtlicher Verfahren. Nicht einmal Resolutionen seien bis heute verfasst worden.
„Wir vom Bund der Bürgerinitiativen mittlerer Neckar (BBMN) haben versucht, die inhaltliche Arbeit in der Kommission voranzubringen”, so H. Heydemann vom BBMN. Man musste aber erleben, „dass von uns lediglich Zustimmung zu den Vorstellungen des Betreibers und des Umweltministeriums erwartet wurde“.
„Da die Öffentlichkeit unerwünscht ist, können wir in jeder anderen Form die Interessenvertretung der Bürger effektiver leisten als dort. Unter diesen Bedingungen ist unsere Mitarbeit nutzlos“, ergänzt BBMN-Vorsitzende A. Klumpp.
„Wenn die Infokommission nur dazu dient, von der Untätigkeit der Landesregierung im Atombereich abzulenken, stehen wir Bürger nicht als Feigenblatt zur Verfügung“, so G. Patan von der mit dem BBMN kooperierenden Initiative AtomErbe Obrigheim.
An ihrem dringendstes Ziel, die sofortige Abschaltung des noch laufenden, zweiten AKW-Blocks in Neckarwestheim, arbeite man nun wieder außerhalb der Informationskommission.
- weitere Informationen: BBMN – Bürgerinitiativen verlassen die Infokommission
- Webseite der Infokommission Neckarwestheim
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Quellen (Auszug): bbmn.de, infokommission-gkn.de, bund.net; 29.10.2015