Mehr Tempo beim Atomausstieg: Schweden macht es vor

23.10.2015 | Jan Becker

Nach der Meldung über das vorzeitige Betriebsende von zwei Kraftwerksblöcken am Standort Oskarshamn hat nun der Atomkonzern Vattenfall die baldige Stilllegung von zwei Meilern in Ringhals bekannt gegeben. Die Weiternutzung lohnt sich nicht. Zugrunde liegt eine Fehleinschätzung der Entsorgungskosten für den Atommüll.

Derzeit sind in Schweden gemäß den offiziellen Zahlen des Power Reactor Information System (PRIS) der Internationalen Atomenergie Organisation zehn Atomreaktoren im Status „betriebsbereit“. In den kommenden fünf Jahren (bis 2020) sollen nun vier Meiler stillgelegt werden. Dann sollen im Laufe von 2021 drei weitere Abschaltungen folgen. In Deutschland sind seit Mai noch acht Atomkraftwerke am Netz. Bis 2020 werden gesetzlich bestimmt nur zwei Blöcke, namentlich Gundremmingen-B und Philippsburg-2, vom Netz gehen. Ende 2021 folgen dann weitere drei.

Ende 2021 könnte dann also Gleichstand gelten: In beiden Ländern bleiben noch drei Reaktoren übrig. Interessant ist dieses Zahlenspiel, weil noch bis vor wenigen Jahren trotz der Fukushima-Katastrophe in Schweden der Neubau von Atomkraftwerken ernsthaft diskutiert wurde. Vor kaum zwei Jahren wollte Vattenfall noch Milliarden in seine sieben Meiler investieren, um die Laufzeit von 50 auf 60 oder vielleicht sogar auf 70 oder 80 Jahre zu verlängern.

Mitte 2014 wurde von der schwedische Regierung nach der 2009 erfolgten Absage staatlicher Unterstützung für Neubauten die Erhöhung der von AKW-Betreibern zu entrichtende „Gebühr für die Endlagerung von Atommüll“ beschlossen. Diese sog. „Effektsteuer“ soll um 73 % steigen, weil die Kosten für die Endlagerung „deutlich unterschätzt“ worden waren.

Vor allem wegen dieser zusätzlichen Ausgaben können nach Oskarshamn auch die beiden Ringhals-Blöcke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Vattenfall AB spricht als Hauptaktionär des Betreibers Ringhals AB von „rückläufiger Rentabilität und steigender Kosten zwischen 2018 und 2020“, weshalb die Blöcke „früher als ursprünglich vorgesehen“ stillgelegt werden sollen. Nach einer Kostenanalyse habe der Betreiber beschlossen, nur noch „begrenzt in die beiden Einheiten zu investieren“. Am Ende bedeutet das also auch Verzicht auf zusätzliche Sicherheit…

Dass auch Deutschland diese Erkenntnis zu den Kosten der Endlagerung droht, ist abzusehen. Ein vergleichbarer Rückschluss sollte dann auch unseren Atomausstieg beschleunigen, zumal damit die Menge an zu entsorgendem Atommüll nicht weiter ansteigen würde. Kürzlich beschwichtigte die Bundesregierung, dass die Rückstellungen der Energiekonzerne für die Entsorgung und den Rückbau der AKW wohl ausreichen sollten. Ein Konzept für die Endlagerung in Deutschland gibt es derzeit aber nicht – und damit können die Kosten auch nicht real abgeschätzt werden. Zahlreiche kritische Untersuchungen warnen daher vor einem Abwälzen der Kosten auf den Steuerzahler.

  • .ausgestrahlt fordert mit einer Kampagne: Keine „Bad Bank“ für Atomkraftwerke! Die Folgekosten der Atomkraft werden deutlich höher sein als die Rückstellungen, die die Atomwirtschaft in eine staatliche Stiftung einbringen will. Deshalb müssen diese Rückstellungen zügig durch den Staat gesichert werden und die Konzerne müssen für zukünftige Kostensteigerungen finanzielle haften. – zur Kampagne

weiterlesen:

  • Schwedens langsamer Abschied von der Atomkraft
    15. Oktober 2015 — Noch vor einigen Jahren gab es in Schweden AKW-Neubaupläne, doch heute fehlt es den Reaktoren an Wirtschaftlichkeit. Aktuell bestätigte der Betreiber des Atomkraftwerks Oskarshamn die Stilllegung von zwei Meilern.

Quellen (Auszug): nuklearforum.ch, iaea.org/pris, taz.de, , 20.10.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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