Mitten in Europa befindet sich das älteste Atomkraftwerk der Welt: Der Block 1 des AKW Beznau in der Schweiz wurde am 1. September 1969 in Betrieb genommen. Im Herzen des Meilers, dem Reaktorbehälter, sollen sich 1.000 Risse oder sogar Löcher befinden. Das zur Zeit abgeschaltete Kraftwerk wird deshalb wohl nie wieder in Betrieb gehen können.
Nachdem vor drei Jahren in den zwei belgischen Reaktoren Doel-3 und Tihange-2 nach modernen Ultraschalluntersuchungen tausende Risse im Kernmantel festgestellt wurden, wird seit März auch Beznau-1 untersucht.
Um das AKW stehe es „offenbar viel schlimmer als bisher angenommen“, bewertet Greenpeace neueste Erkenntnisse über den Zustand des 46 Jahre alten Reaktorbehälters. Es gäbe Schwachstellen, wie der Betreiber Axpo auch bestätigt. Nach Medieninformationen habe dieser im Juli „Unregelmässigkeiten“ in den Stahlwänden des Reaktorbehälters gefunden. Danach verschob der Konzern den Neustart des Reaktors von Oktober auf Februar 2016.
Gemäss zwei voneinander unabhängigen Quellen sollen im Reaktordruckbehälter etwa 1.000 Löcher bzw. Risse klaffen, die einen Durchmesser von einem halben Zentimeter hätten und in den Stahlwänden eingeschlossen sind. Ein Insider behauptet aktuell gegenüber dem Schweizer „Tages-Anzeiger“, Beznau-1 werden „gar nie mehr hochgefahren“. Denn die Schäden seien „viel gravierender als angenommen“.
Die Atomaufsicht Ensi muss die Sicherheit des Kraftwerks vor einem möglichen Wiederanfahren attestieren, zu den neuen Vorwürfen schweigt sie bislang. Mitte August sagte Georg Schwarz, Leiter des Aufsichtsbereichs Kernkraftwerke und stellvertretender Ensi-Direktor, dass die Behörde auf den Nachweis für die Sicherheit des Reaktordruckbehälters von Betreiber Axpo warte. Dieser würde „Untersuchungen durchführen und nachweisen müssen, dass die festgestellten Befunde die Sicherheit nicht beeinträchtigen“. Schwarz erwartet, dass der Reaktordruckbehälter „sicher“ ist.
AtomkraftgegnerInnen fordern nun Aufklärung: Beznau-1 dürfe „nie wieder ans Netz“, das sei aufgrund dieser Neuigkeiten „die einzige logische Konsequenz“, so Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz. Ein Weiterbetrieb wäre „komplett unverantwortlich und fahrlässig“. Zugleich fordert er, dass die Bevölkerung umfassend zum Zustand des Druckbehälters informiert werde.
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Quellen (Auszug): srf.ch, ee-news.ch, blick.ch, ensi.ch; 17.08./7.,8.10.2015