Wie soll künftig der Atommüll entsorgt werden? Eine Antwort will das „Nationale Entsorgungsprogramm“ (NaPro) geben, das vom Bundesumweltministerium erarbeitet und kürzlich von der Bundesregierung abgenickt wurde. Der Bericht wurde bereits im Vorfeld erheblich kritisiert. AtomkraftgegnerInnen haben 70.000 Einwendungen gesammelt.
„Wir stellen uns der Verantwortung, das bisher ungelöste Problem der Atommüllentsorgung ernsthaft angegangen werden muss und nicht auf zukünftige Generationen abgewälzt werden darf“, so Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Das „Nationale Entsorgungsprogramm“ ist aber vor allem eines: Der Versuch einer längst überfälligen Bestandsanalyse, an welchem Ort sich welche Art von radioaktivem Abfall befindet bzw. nach Abschaltung des letzten AKW befinden wird. Doch es offenbart damit auch ein riesiges Dilemma. Für bestimmten Müll, graphithaltigen Abfälle, abgereichtes Uran aus der Urananreicherungsanlage Gronau und der noch zu bergende Atommüll aus der havarierten Asse II, gibt es bisher keinen Ort für eine langfristige Lagerung.
Deshalb warnten im Vorfeld AtomkraftgegnerInnen vor einer möglichen Erweiterung von Schacht Konrad. Alternativ könnte am Ende aller Atommüll, der gemäß der geltenden Einlagerungsgenehmigung nicht nach Konrad gebracht werden darf, in das „neue“ Lager kommen, das bekanntlich durch den Neustart der Suche nach einem Atommüll-Lager gefunden werden soll. Dort sollen aber eigentlich ausschließlich die hochaktiven, wärmeentwickelnden Brennelemente „entsorgt“ werden.
Laut Hendricks habe man den Bedenken gegen die Erweiterung von Konrad „Rechnung getragen“. Eine Erweiterung solle „vermieden werden“. Doch garantieren könne sie nicht, dass Schacht Konrad „endgültig als mögliche Option für die Endlagerung der Asse und der Urananreichungsabfälle außen vor ist“. Das letzte Wort habe die Atommüll-Kommission des Bundestages. Und lehnt diese ein neues „Mischlager“ ab, bleibt Konrad als einzige Option übrig. Und Experten in der Kommission haben bereits gewarnt: Die Errichtung eines „Mischlagers“ sei „ein ganz anderer Auftrag“.
Sollte die Kommission eine gemeinsame Lagerung dennoch für möglich halten, fällt die zweite Entscheidung laut NaPro dann, „wenn ausreichend Informationen zur Menge, zur Beschaffenheit und zum Zeitpunkt des Anfalls der aus der Schachtanlage Asse II zurückzuholenden radioaktiven Abfälle vorliegen.“ Erst dann solle „eine abschließende Entscheidung über den Endlagerstandort für diese Abfälle – unter Einbeziehung aller technischen, ökonomischen und politischen Aspekte – getroffen werden.“
„Wir können es zwar als Teilerfolg werten, dass unser massiver Protest in Berlin nicht zu überhören war“, so Ludwig Wasmus, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD. Fast 70.000 Einwendungen waren bis Ende Mai gesammelt und an das Umweltministerium übergeben worden. „Aber letztlich wurde die Entscheidung über die Lagerung weiterer 300.000 m³ schwach- und mittelradioaktiven Mülls nur um ein Jahr verschoben. So gewinnt man kein Vertrauen.“
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) warnt: Das NaPro klammere die Probleme der Langzeitzwischenlagerung aus und wie in der Vergangenheit werde der real vorhandene Atommüll in wechselnden Planspielen lediglich hin- und hergeschoben. Es sei „keine Studie bekannt, die belegt, dass ein Mischlager, in dem brennbare Abfälle, Gas entwickelnde Abfälle und hochradioaktive Abfälle zusammen eingelagert werden, machbar ist“, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Wahrscheinlich bräuchte es ein drittes Endlager. Das lehnt das Bundesumweltministerium aber ab.
Bis zum 23. August muss der Bericht der EU-Kommission vorgelegt werden. Noch stehen Empfehlungen der Atommüll-Kommission aus.
Doch so einfach, wie es Frau Hendricks einleitend darstellt wird es nicht werden. So sehr sie sich der „Verantwortung“ stellen wird, wir werden zwangsläufig jedes Gramm Atommüll „auf zukünftige Generationen“ abwälzen. Mit dem Ende der Jahresrevision im AKW Isar-II sind seit Donnerstag wieder alle acht Atomkraftwerke in Deutschland in Betrieb. „Verantwortung“ wäre, die Anlagen sofort abzuschalten und damit die Atommüllproduktion zu stoppen. Eine reibungslose Stromversorgung wäre in Deutschland auch ohne Atomstrom gesichert, wie eine Studie von arepo consult unlängst zeigte.
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Quellen (Auszug): tagesschau.de, bi-luechow-dannenberg.de, ag-schacht-konrad.de; 12./13.08.2015