In einem Schnellverfahren hat die französische Nationalversammlung am 8. Juli 2015 den Standort für ein Atommüll-Lager in Frankreich festgezurrt: Der kleine Ort Bure in Lothringen, in dem seit 1994 ein „Versuchslabor“ betrieben wird.
Es ist ein „Affront“, ein „hinterhältiges Manöver“ meinen AtomkraftgegnerInnen. Denn die Festlegung auf den Standort Bure war als ein Punkt in einem Gesamtpaket unterschiedlicher Wirtschaftsreformen des konservativen Senators Gérard Longuet untergebracht und daher im Parlament nicht explizit diskutiert worden. Mit dieser „pauschalen Verabschiedung“ nimmt das sehr umstrittene Vorhaben eine entscheidende Hürde.
Wie alle anderen Länder auf der Welt hat auch Frankreich keine Lösung für den endgültigen Verbleib seines Atommülls. Mit jedem Betriebstag der heute aktiven 58 französischen Meiler wächst der gefährliche Altlastenberg weiter an. Seit 1994 wird im Bergwerk Bure in Tongestein ein „Versuchslabor“ betrieben. Es ist der einzige Standort in Frankreich, an dem so intensiv geforscht wird. An anderen möglichen Orten war der Widerstand gegen ein Atommüll-Lager zu groß.
Die Atomindustrie ist der Meinung, der Untergrund von Bure besäße „geeignete geologische Eigenschaften“. Bisher wurden 1,5 Milliarden Euro in die Anlage investiert. Nach heutigen Planungen soll in zwei Jahren mit dem Bau des Atommüll-Lagers begonnen werden; schon in zehn Jahren soll der erste Atommüll „endgelagert“ werden. Nach bestehenden Plänen sollen dann jedes Jahr in einhundert Sonderzügen 700 bis 900 Behälter mit Atommüll angeliefert werden.
Vorgesehen ist, dass bis zu 10.000 Kubikmeter hochradioaktive und 70.000 Kubikmeter mittelradioaktive Rückstände in etwa 500 Metern Tiefe eingelagert werden. Das entspräche einer rücksichtslosen Fortführung des Atomprogramms über rund fünfzig Jahre. Die beauftragte Nationale Agentur für die Entsorgung radioaktiver Abfälle ANDRA muss laut Gesetz gewährleisten, dass der Atommüll über einen Zeitraum von 100 Jahren „rückholbar“ bleibt.
Kritiker halten seit Jahrzehnten dagegen. Die „Coordination Burestop“ will alle juristischen Mittel ausschöpfen. So sind noch einige Gerichtsverfahren anhängig und auch das eigentliche Genehmigungsverfahren steht noch aus. Der Widerstand vor Ort organisiert sich. Seit 2004 steht in dem 80-Seelen-Dorf das Widerstandshaus „Bure Zone Libre“. Unweit davon findet vom 1. bis zum 10. August 2015 ein internationales Widerstandscamp statt. Für den 3. Oktober ist eine Demonstration in Metz geplant.
Das undemokratische, intransparente Vorgehen in Frankreich erinnert stark an die Vorgänge in Deutschland bei der Standortbestimmung von Gorleben vor über 30 Jahren. Frankreich sollte aus diesem Prozess lernen: Eine so gewichtige Entscheidung ohne die Beteiligung der BürgerInnen vor Ort wird langfristig vermutlich kaum durchzusetzen sein.
weitere Infos:
- zum Camp im August – http://de.vmc.camp/
- Widerstandshaus Bure Zone Libre
weiterlesen:
- Mehr zur Atomkraft in Frankreich auf der Themenseite bei .ausgestrahlt
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Quellen (Auszug): taz.de, blog.eichhoernchen.fr; 20.7.2015