Eine neue Studie belegt den Zusammenhang zwischen Leukämieerkrankung und dem Arbeiten in einem Atomkraftwerk: Das Risiko steigt linear mit der Strahlendosis an. Schon kleine Dosen von Radioaktivität können Blutkrebs auslösen.
Wer in einem Atomkraftwerk arbeitet, kann selbst durch geringe aber permanente Radioaktivität an Krebs erkranken. Der Grenzwert der effektiven Dosis für beruflich strahlenexponierte Personen beträgt in allen europäischen Ländern 20 Millisievert pro Kalenderjahr. Die Einhaltung des Grenzwerts bedeutet jedoch nicht, dass man nicht erkrankt.
AtomkraftgegnerInnen warnen vor dem zusätzlichen Risiko durch Atomanlagen, stießen in der Vergangenheit allerdings auf Unverständnis. Kein Wunder, denn würde diese Tatsache anerkannt, hätte dies weitreichende Folgen: Es wäre ein weiterer, herber Rückschlag für die Akzeptanz der Atomindustrie, selbst in Kreisen der MitarbeiterInnen.
Ob die sogenannte „Niedrigstrahlung im Normalbetrieb“ in Atomkraftwerken Auslöser für Krankheiten sein kann, darüber streiten sich Fachleute seit Jahrzehnten. Einen belastbaren Zusammenhang zwischen Krankheit und Strahlung nachzuweisen, war bisher sehr schwierig. Hauptgrund: Symptome treten teilweise erst viele Jahre später oder in der nächsten Generation auf.
Eine neue Studie könnte nun die Wende bringen. Forscher der Internationalen Krebs-Agentur in französischen Lyon haben Daten von 308.000 NukleararbeiterInnen, darunter 40.000 Frauen, aus Frankreich, Großbritannien und Amerika analysiert. Durchschnittlich wurde ihre Gesundheit über 27 Jahre lang kontrolliert. Das Ergebnis: Ein erhöhtes Risiko für Leukämie besteht schon bei kleinen Strahlungsmengen und steigt mit der Dosis weiter linear an. Die Probanden hatten im Mittel 1,1 Milligray pro Jahr abbekommen, in ihrem Berufsleben etwa 16 Milligray. Umgerechnet auf die Einheit Sievert, die die biologische Wirksamkeit der Strahlung misst, sind das im Mittel 1,74 Millisievert pro Jahr.
- Laut der Studie erhöht sich das Erkrankungsrisiko um Faktor vier bei der Absorption von einem Gray. Das Risiko für MitarbeiterInnen in Atomanlagen an Leukämie zu erkranken bzw. in der Folge möglicherweise zu sterben ist also um etwa fünf Prozent erhöht.
In der Vergangenheit hatte unter anderem die internationale Ärzteorganisation IPPNW immer wieder vor der Verharmlosung von Gesundheitsschäden durch ionisierende Strahlung gewarnt. Schon Strahlendosen in der Größenordnung von 1 Millisievert (mSv) würden das Erkrankungsrisiko „nachweislich erhöhen“. Es gibt keinen Grenzwert, unterhalb dessen Strahlung unwirksam ist.
weitere Informationen:
- Hintergrund: Atomkraftwerke machen Kinder krank
Kinderärzte und -ärztinnen warnen seit langem, die weltweit beachtete „Kinderkrebs-Studie“ im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz (KiKK-Studie) hat es inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen: Kinder, die nahe an einem Atomkraftwerk wohnen, erkranken deutlich häufiger an Krebs als ihre AltersgenossInnen, die weiter weg wohnen. Atomkraft-Befürworter streiten einen Zusammenhang vehement ab.
- Interview: „Nur eins und eins zusammenzählen“
Alfred Körblein, Niedrigstrahlungsexperte, über Radioaktivitätsabgaben beim Brennelementewechsel und den möglichen Zusammenhang mit erhöhten Krebsraten.
Quelle (Auszug): sueddeutsche.de, 23.6.2015