Im französischen Atomkraftwerk Cattenom, das unweit der deutschen Grenze steht, ist es zu einem „ernstzunehmenden“ Störfall gekommen. Ein Ventil wurde „fehlerhaft geöffnet“, die Atomaufsicht stuft das Ereignis in die Kategorie „Abweichung vom normalen Betrieb der Anlage“.
Bereits am Donnerstag vergangene Woche gab es gegen 14 Uhr Alarm im Reaktorblock 1 des Atomkraftwerks. Ein Ventil im nicht-nuklearen Kühlkreislauf sei „versehentlich“ geöffnet worden, berichtet Betreiber Edf. Heißer Dampf, der eigentlich in die Turbinen geleitet wird, strömte aus. Wegen des Druckabfalls in den Rohren folgte eine automatische Reaktorschnellabschaltung.
Der „interne Notfallplan“ wurde ausgerufen, die Präfektur (Regionalverwaltung) in Metz, die für den Katastrophenschutz zuständige Behörde ASN und das Institut für Strahlenschutz informiert. Dieses alarmierte sein Krisenzentrum. Auch deutsche Behörden wurden in Kenntnis gesetzt. Experten eilten zum Kraftwerk und gaben gegen 17.00 Uhr Entwarnung: Keine Radioaktivität ausgetreten.
Die Aufsichtsbehörde ASN stufte das Ereignis bereits am Donnerstag auf der internationalen Störfallskala, die von 0 bis 7 reicht, als Störfall der Stufe 1 ein. Es handelte sich also um eine „Abweichung vom normalen Betrieb der Anlage“, die, wenn nicht rechtzeitig behoben, zu einem schweren Unfall führen kann.
Aus der Politik wird erneut die Forderung nach der Stilllegung der Anlage laut. Der Atomexperte Dieter Majer warnt unterdessen grundsätzlich vor dem Risiko dieser automatischen Abschaltungen des Reaktors. Sie seien „immer mit besonderen Sicherheitsrisiken verbunden und beanspruchen die Anlagen besonders“, sagte er dem „Volksfreund“.
Der französische Energiekonzern Edf plant das Kraftwerk noch bis mindestens 2050 am Netz zu lassen. In den vergangenen Jahren haben sich in den insgesamt vier Blöcken der Anlage weit mehr als 700 Störfälle ereignet.
Störfall-Report für Mai 2015
Im Mai 2015 haben wir 11 Störfälle, Vorkommnisse oder Abweichungen vom regulären Betrieb in Atomanlagen verzeichnet. Davon betreffen sechs deutsche Anlagen. Seit Jahresbeginn summieren sich die Störungen in Deutschland auf 26, davon 23 meldepflichtige.
- 07.05.2015 – Kraftwerk Biblis Block B: Fehlerhafte Abschaltung einer Stromversorgungsschiene
- 12.05.2015 – Kraftwerk Biblis Block B: Ausfall eines elektrischen Umformers
- 18.05.2015 – Kraftwerk Biblis Block B: Ausfall einer Sprühwasserlöschanlage
- 23.05.2015 – Kraftwerk Biblis Block A: Geringfügige Leckage an einer Messleitung
- 26.05.2015 – EnBW: Neckarwestheim-II nach Störung im nicht-nuklearen Anlagenbereich wieder bei voller Leistung
- 28.05.2015 – E.ON: Tropfleckage an Notstromdieseln im Kernkraftwerk Unterweser
- 29.05.2015 – Frankreich / AKW Cattenom: Wieder eine Panne in Reaktor 1
Einstufung nach INES: 1 - 28.05.2015 – Slowakei / Unfall in AKW Mochovce: Arbeiter tot
- 26.05.2015 – Frankreich / AKW Cattenom: Einsatz externer Rettungskräfte
- 11.05.2015 – Indien: Wieder Notabschaltung des AKW Kudankulam
- 10.05.2015 – US-Bundesstaat New York: Transformator brannte in Atomkraftwerk
weiterlesen:
- Störfallreport aus den AKW Emsland, Neckarwestheim und Biblis
27. Mai 2015 — Der Betreiber des Atomkraftwerks Neckarwestheim bittet die Anwohner um Entschuldigung für „Geräuschentwicklung“ am Sonntagabend. In Niedersachsen bleibt das AKW Emsland weiter vom Netz weil die Wartung verlängert werden musste. Und aus dem hessischen Meiler Biblis wird eine Leckage gemeldet.
- „Sicher ist nur das Risiko!“: Neue Webseite listet AKW-Störfälle auf
22. März 2015 — Was gegen den atomaren Wahnsinn hilft, sind bekanntlich Fakten. Mit einer neuen Website will jetzt ein Atomkraftgegner aus München deutlich machen, dass Pannen in Atomkraftwerken keine harmlosen Ausnahmen darstellen und immer wieder gefährlich werden können.
- Hintergrund: Die Unsicherheit von Atomkraftwerken
Alle AKW sind “sicher” – behauptet die Bundesregierung. Das stimmt leider nicht.
Quellen (Auszug): tageblatt.lu, energie.edf.com, volksfreund.de; 28./29.5.2015