Castortransporte: 20 Jahre Atommüll in Gorleben

27.04.2015 | Jan Becker

Am 25. April 1995 war es soweit: Der erste Castor traf in Gorleben ein. Er kam aus Philippsburg und enthielt abgebrannte Brennelemente. 15.000 Polizisten “sicherten” den Transport. Seitdem rollten über 100 weitere Behälter in das Wendland. Was als Niederlage für die Anti-Atom-Bewegung erscheint, hat politisch viel verändert: Heute sind die Transporte verboten.

Beim Beladen des ersten Castors im AKW Philippsburg ging so einiges schief, erinnert die BI Lüchow-Dannenberg anlässlich des Jahrestages am vergangenen Wochenende. Angela Merkel war damals Umweltministerin und quittierte die Situation mit den Worten: Es sei „wie beim Kuchenbacken, da ginge auch schon mal etwas Backpulver daneben“…

Die Castortransporte haben das Leben im Wendland nachhaltig verändert. 10 Jahre lang konnte durch einen Mix von Prozessen, Aktionen und politischer Intervention der erste Castor verhindert werden. Doch dann hieß es „Castor-Alarm“: Man stellte sich quer, auf der Straße und – am Anfang sehr zögerlich – auf der Schiene. Zwischen 1996 und 2011 schlug es „13 Mal 13“, nun stehen 113 Behälter im Gorlebener Zwischenlager. Tausende von Polizistinnen und Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet fielen jedes Mal wie eine Armada ins Wendland und die Orte entlang der Transportstrecken ein.

In der Folge gingen Bilder von prügelnden Polizisten um die Welt. David wehrte sich gegen Goliath mit dem Mut der Verzweiflung und das Wendland mutierte in der Folgezeit zu dem Ort, an dem mindestens einmal im Jahr auf Straßen und Schienen Gegenwehr geleistet wurde. 1996 prügelten Polizisten mit Schlagstöcken einen dann blutenden Landwirt aus seinem Trecker. Die Bilder erschütterten die Medien. Der nächste Castortransport, 1997, wurde zur Massenblockade: 8.000 Menschen besetzten unter dem Motto „Wir stellen uns quer!“ die Ausfahrt der Verladestation in Dannenberg. Die Polizei schlug wahllos auf die BlockadeteilnehmerInnen ein. Jahr für Jahr wiederholten sich die Bilder einer völlig überforderten Polizei und einer immer entschlosseneren und friedlichen Protestaktionen.

Politisch hat sich seit 1995 vieles geändert: Kreative, friedliche Protestaktionen machten die Anlieferung der letzte Atommüll-Fuhre in 2011 fast unmöglich. Menschen befestigten ihre Arme im Gleisbett. Hunderte Trecker verstopften die Straßen. Und immer mehr BürgerInnen setzten und stellten sich quer. Es dauert von Jahr zu Jahr immer länger, bis die Behälter ihr Ziel erreichen konnten – und die Kosten und damit der politische Preis stiegen erheblich.

Zur Zeit gibt es wegen des „Neustarts“ der Suche nach einem Atommüll-Lager ein gesetzliches Verbot, weitere Castoren nach Gorleben zu bringen. Die Situation „solle sich beruhigen“. Gefühlt war es 2011 nicht weit bis zu dem Eingeständnis, dass Castortransporte ins Wendland „politisch nicht mehr durchsetzbar“ sind.

Doch mit einem Transporte-Stopp ist der Gorleben-Konflikt noch lange nicht Geschichte, warnt die BI. Denn der Atomkonzern Eon klagt aktuell gegen das Verbot und möchte weitere 26 Castor-Behälter mit dem hochradioaktiven Abfällen einlagern lassen.

„Der Castor wurde zum rollenden Symbol für die ungelöste Atommüll-Entsorgung”, erinnert sich Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI. „Das Wendland wurde der Kristallisationspunkt der Anti-Atom-Bewegung. Der Castor vernetzte in der Folge entsprechend des Streckenverlaufs von La Hague bis Gorleben vielfältige Initiativen und mobilisierte die Empörung. So konnten die politischen Forderungen artikuliert werden: Atomausstieg sofort – kein Endlager im Salzstock Gorleben.“

Quelle (Auszug): bi-luechow-dannenberg.de, 22.4.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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