Haftungslücke ist amtlich
Nicht nur in Deutschland läuft derzeit eine Debatte über die finanziellen Risiken der Atomwirtschaft und die Wälzung dieser Risiken auf die Allgemeinheit. Amtlich bestätigt hatte die letztliche Haftung des Staates und damit der Gesellschaft vor einiger Zeit ein ausführliches Rechtsgutachten der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) im Auftrag des Wirtschaftministeriums (BMWi) – hier zum Download als PDF. Der Kampf gegen die Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Sozialisierung der Risiken ist derzeit auch einer der Hauptschwerpunkte der .ausgestrahlt-Aktivitäten, den allen voran die Debatte um die Umstrukturierung des Eon-Konzerns befeuert. .ausgestrahlt und viele Anti-Atom-Aktive bundesweit antworten mit vielfältigsten Aktionen: Eon, geht’s noch?
Atomrisiko nicht nur in Deutschland – auch Frankreich und Schweiz brisant
Aber das zu Grunde liegende Problem ist bei weitem kein nationales – in vielen Ländern Europas liegen ähnliche strukturelle Defizite vor. Seit Ende letzten Jahres waren erhebliche finanzielle Verluste und Risiken durch die Atomkraft in Frankreich bekannt geworden, und zwar sowohl beim AKW-Bauer Areva als auch beim französischen AKW-Betreiber und Stromkonzern EDF (mehr dazu im .ausgestrahlt-Blog). Ähnliches wird jetzt auch aus der Schweiz gemeldet. Wie Bernward Janzing in seinem lesenswerten Beitrag schreibt, steht die Atomwirtschaft der Schweiz vor massiven wirtschaftlichen Problemen. Nachdem der eidgenössiche Atomkonzern Axpo das vergangene Geschäftsjahr bereits mit einem Verlust von 730 Millionen Schweizer Franken (700 Millionen Euro) abschließen musste, bezeichnet nun eine Studie im Auftrag der Grünen Partei das Unternehmen als „finanzielles Großrisiko für den Kanton Zürich“. Dieser ist mit 36 Prozent Anteil größter Eigentümer der Axpo.
Und auch die Haftungsfrage wird thematisiert: Die Eidgenössische Finanzkontrolle sieht ein hohes Haftungsrisiko für den Bund und befürchtet wie in Deutschland, dass die Betreiber der Schweizer Reaktoren nicht mehr imstande sein werden, für die Kosten der Stilllegung und der Entsorgung aufzukommen. Dies gelte „insbesondere vor dem Hintergrund des Margenzerfalls des Stroms, aber auch aufgrund der rechtlichen Struktur einzelner Werke“. Denn die Betreibergesellschaften verfügen mitunter nur über ein haftendes Aktienkapital in Höhe von 350 Millionen Franken (337 Millionen Euro). Zwar sei der „Zeitpunkt des Eintretens wohl erst mittelbar zu erwarten“, doch sei „das Haftungsrisiko des Bundes hoch“.