Beim Abriss eines Atomkraftwerks fallen tausende Tonnen Material an. Offiziell gilt es nicht mehr als „radioaktiv“ und darf kostengünstig für die Betreiber als „Bauschutt“ auf Deponien abgekippt werden. Doch im ganzen Land regt sich Widerstand gegen diese Art der Atommüll-Entsorgung. Die Landkreise sind planlos, so deckt der NDR in seiner aktuellen Sendung auf.
Je nach Größe des AKW fallen zwischen 3.000 und 6.000 Tonnen Bauschutt an, der wegen seiner Strahlenbelastung nicht wiederverwertet werden darf – wie „normaler Bauschutt“. Nach geltendem Abfallwirtschaftsgesetz muss solch schwach strahlender, „freigemessener“ Müll auf Deponien gelagert werden. Wo immer jedoch bekannt wurde, dass auch ihre Deponie betroffen sein könnte, gingen in der Vergangenheit AnwohnerInnen auf die Straßen und protestierten. Kein Wunder: Sie fürchten zu Recht langfristige Gesundheitsgefahren durch große Mengen Strahlenmüll.
Zugespitzt hatte sich die Situation zuletzt beim Streit um das Abriss-Material aus dem AKW Stade. Eine Deponie im niedersächsischen Hillern war beliefert worden, hatte nach Druck aus der Öffentlichkeit aber die weitere Annahme abgelehnt. Mit Stader Atomschutt beladene LKW rollten schließlich in das über 500 Kilometer entfernte Grumbach in Sachsen. Doch auch dort gingen BürgerInnen auf die Straße.
Verantwortlich für die Entsorgung des AKW-Schrotts sind die Landkreise. Nach Recherchen von Panorama3 ist bislang jedoch kaum ein Landkreis auf die Annahme und Entsorgung des immer noch strahlenden Materials vorbereitet. Von 14 angefragten Landkreisen konnten nur vier etwas darüber sagen, wo zumindest theoretisch „ihr“ AKW-Müll landen soll. Teilweise ist nicht einmal bekannt, wieviel Bauschutt aus dem Abriss der AKW überhaupt erwartet wird.
Entsorgung des „freigemessenen“ Bauschutts aus deutschen AKW
- Philippsburg: kein Plan.
- Gundremmingen: kein Plan.
- Grafenrheinfeld: kein Plan.
- Neckarwestheim: in diesem Jahr soll ein Plan erarbeitet werden.
- Obrigheim: Deponie Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) und Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis)
- Grohnde: keine Auskunft.
- Isar: kein Plan.
- Brokdorf: kein Plan.
- Unterweser: derzeit wird geprüft, ob eine Deponie im Kreis in Frage kommt.
- Krümmel: kein Plan.
- Emsland: kein Plan.
- Biblis: kein Plan.
- Brunsbüttel: kein Plan.
- Stade: Lieferungen ins niedersächsische Hillern und auf die sächsischen Deponien Grumbach, Wetro und Cröbern. Weitere Pläne unklar.
In der Panorama-Sendung heute abend (31. März, 21.15 Uhr auf NDR) werden die Ergebnisse der Recherche vorgetragen.
weiterlesen:
- Weitere Lieferungen nach Sachsen: AKW-Bauschutt laut Ministerium “unbedenklich”
27. November 2014 — AnwohnerInnen und AtomkraftgegnerInnen protestieren: Seit Monaten wird auf der sächsischen Deponie Grumbach schwach radioaktiver Schutt abgelagert, der aus dem „Rückbau“ des niedersächsischen AKW Stade stammt. Jetzt gab es erneut Kontrollen, das zuständige Umweltministerium Sachsen redet die Gefahren weiter klein.
Außerdem bereits erschienen bei .ausgestrahlt:
- Julia Schumacher: AKW-Schutt auf Hausmülldeponien
Wie per „Freimessung“ aus Atommüll einfach Hausmüll wird und warum trotzdem kaum noch eine Deponie dafür zu finden ist. - “Das Risiko wird tausendfach unterschätzt”
Ulrich Klein, 71, pensionierter Diplom-Ingenieur, kämpft mit der Interessengemeinschaft „Keine Deponie am Tharandter Wald“ gegen Strahlen-Schutt und laxe Freigabegrenzwerte - Franz Wagner und Julia Schumacher: Die Rechnung kommt am Schluss
Was nach dem AKW-Abriss übrigbleibt: strahlende und kontaminierte Anlagen, Werkzeuge, Gebäude – Hunderttausende Tonnen an Material. Die mangelhafte Beteiligung der Öffentlichkeit scheint ein bewusst in das Atomrecht konstruierter Fehler zu sein.
Quelle (Auszug): ndr.de, 31.3.2015