Forschungsreaktor Berlin wieder in Betrieb

24.02.2015 | Jan Becker

Aus Sicherheitsgründen wurde der Forschungsreaktor in Berlin-Wannsee im Herbst 2013 abgeschaltet. Nach umfangreichen Reparaturen ist er nun wieder in Betrieb. Die Kritik an dem Meiler in der Hauptstadt bleibt: AtomkraftgegnerInnen fordern „Atomreaktor Wannsee dichtmachen!“

Am Mittwoch, den 18. Februar ist die Anlage hochgefahren worden und erreichte einen Tag später ihre Nennleistung von 10 Megawatt. Der „BER-II“ wurde am 9. Dezember 1973 in Betrieb genommen und dient wissenschaftlichen Zwecken. Mithilfe der durch Kernspaltung produzierten Neutronen können zum Beispiel Materialuntersuchungen durchgeführt werden. Im Prinzip handelt es sich um ein „kleines” Atomkraftwerk, nur wird kein Strom produziert und ins Netz eingespeist (Vergleich: AKW Brokdorf hat über 1.000 Megawatt). Allerdings entsteht auch im BER-II Atommüll und ein schwerer Unfall mit Austritt von Radioaktivität ist möglich.

Der Betreiber, das Helmholtz Zentrum Berlin (HZB), berichtet in einer Pressemitteilung, dass während der Betriebsunterbrechung eine Schweißnaht beseitigt wurde, „die als potentielle Schwachstelle bekannt war“. Es handle sich um eine Dichtungsschweißnaht, die sich „im Bereich der Trennwand zwischen den beiden Reaktorbeckenhälften“ befand. In dieser Schweißnaht wurden 2010 Schadstellen entdeckt. Nachdem die Situation mehr als drei Jahre lang beobachtet wurde, schaltete der Betreiber den Reaktor ab und ließ die Schweißnaht nun „ersatzlos entfernen“. Es habe sich dabei um kein „sicherheitsrelevantes Bauteil“ gehandelt, so das HZB.

In den Akten der Atomaufsicht des Landes Berlin liest sich die Situation etwas anders: Der Reaktorbetrieb musste im November 2013 kurzfristig gestoppt werden, weil ein länger beobachteter Schaden in einem Bauteil „schneller als erwartet“ angewachsen war. In der Folge hätte es zu einem „spontanen Abbruch“ kommen können. Das Kühlbecken wäre leergelaufen und eine Kernschmelze hätte bevorgestanden, so die Interpretation der AtomkraftgegnerInnen vom Anti-Atom-Bündnis Berlin und Potsdam.

Für das Bündnis, das immer wieder Proteste gegen den Reaktorbetrieb organisiert, war dieser Riss „ein weiteres offensichtliches Zeichen für die durch die Neutronen hervorgerufene Materialermüdung am BER II“. Das HZB und die Atomaufsicht hatten diese technische Einschätzung ignoriert und öffentlich diskreditiert.

Die AktivistInnen kritisieren auch die mangelhafte Sicherheit gegenüber möglichen Flugzeugabstürzen. Nach einem GAU wären große Flächen Berlins unbewohnbar. Ein ausreichender Schutzmantel (Containment) fehlt, die Anlage entspricht nicht den geltenden Sicherheitsvorschriften.

weiterlesen:

  • contratom.de – Terror-Ziel Berlin: Versuchsreaktor Berlin-Wannsee
    13. November 2013 – Der Versuchsreaktor Berlin/Wannsee des Helmholtz-Zentrums Berlin ist ein eklatantes Sicherheitsrisiko für die Berliner Öffentlichkeit. Ein schwerwiegender atomarer Unfall mit 10 Megawatt wird laut einer Studie des Betreibers innerhalb von 20 Minuten Radioaktivität von 72.000 Terabecquerel freisetzen.
  • contratom.de – Auch Forschungsreaktoren sind unsicher
    22. Juni 2012 – Erstmals sind Forschungsreaktoren einem Stresstest unterzogen worden. Das Ergebnis: auch Deutschlands “kleine” Meiler sind nicht sicher. Abhilfe sollen neue Notfallbücher schaffen – doch gegen den Absturz eines Flugzeuges auf die Forschungseinrichtungen inmitten von Großstädten wird das kaum helfen. Atomkraftgegner fordern die Stilllegung der alten Reaktoren.

Quellen (Auszug): atomreaktor-wannsee-dichtmachen.de, helmholtz-berlin.de; 24.2.2015

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Jan Becker

Jan Becker hat jahrelang die Webseite www.contrAtom.de betrieben und täglich aktuelle Beiträge zur Atompolitik verfasst. Seit November 2014 schreibt der studierte Umweltwissenschaftler für .ausgestrahlt. Jan lebt mit seiner Familie im Wendland. Mit dem Protest gegen regelmäßig durch seine Heimatstadt Buchholz i.d.N. rollende Atommülltransporte begann sein Engagement gegen Atomenergie, es folgten die Teilnahme und Organisation zahlreicher Aktionen und Demonstrationen.

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