Bisher hat die Kommission Konflikte weitgehend umgangen. Doch jetzt werden in wesentlichen Bereichen Fakten geschaffen – gegen die Forderungen von BUND und Umweltstiftung.
Zehn Monate ist es her, dass der Bundestag die Atommüll-Kommission eingesetzt hat. Zehn Monate bleiben noch bis zum gesetzlich festgelegten Ende der Kommissionsarbeit – wobei theoretisch eine Verlängerung von sechs Monaten möglich ist. Bisher drehte sich die Debatte in der Kommission hauptsächlich um die Kommission selbst. Bis heute ist es aber noch nicht einmal gelungen, ein Leitbild für die gemeinsame Arbeit zu verabschieden.
Wirklich strittige Themen wurden meist nur kurz andiskutiert und ohne Entscheidung vertagt oder übergangen. Bei einer ganzen Reihe von Themen sieht sich ein großer Teil der Kommission auch gar nicht zuständig und überlässt hier der Bundesregierung das Feld.
Nun stehen aber einige Fragen zur Entscheidung an (siehe unten), die zumindest für Klaus Brunsmeier und Jörg Sommer große Relevanz haben, die Vertreter von BUND und Deutscher Umweltstiftung in der Kommission. Während der BUND in der öffentlichen Darstellung seiner Kommissions-Arbeit nicht weiter darauf eingeht, dass Brunsmeier mit wesentlichen Forderungen nicht durchdringt, geht Sommer inzwischen öffentlich auf Konfrontation.
Klagen der Konzerne
Die Vertreter von Eon und RWE arbeiten einerseits in der Kommission mit, ihre Konzerne ziehen aber gleichzeitig gegen die gesetzlichen Grundlagen der Kommissionsarbeit vor Gericht und lehnen es insgesamt ab, Alternativen zu Gorleben in Erwägung zu ziehen. Das führt zwar immer mal wieder zu kritischen Anmerkungen von etlichen Mitgliedern der Kommission. Aber danach geht die Runde zur Tagesordnung über, ohne Konsequenzen zu ziehen.
Schon im Oktober 2014 hatte der BUND an die Vorsitzenden der Kommission geschrieben:
„Die gleichzeitige Mitarbeit in der Kommission und die Klagen gegen wichtige Grundlagen der gemeinsamen Arbeit schließen sich aus. Deshalb fordert der BUND, dass die eingereichten Feststellungs-Klagen von Eon und RWE zurückgezogen werden.“
Jörg Sommer schrieb vor der letzten Kommissions-Sitzung:
„Wenn die Endlagerkommission nicht eindeutig erklärt, dass auf dieser Grundlage keine weitere Mitwirkung der Atomlobby in der Kommission möglich ist, macht sie sich unglaubwürdig.“ Und nach der Sitzung: „Leider muss ich konstatieren: Solange die Endlagerkommission diese Politik kommentarlos hinnimmt und hier keine eindeutige Ansage an die Atomwirtschaft formuliert, macht sie sich jeden Tag unglaubwürdiger. Ich muss deshalb als Mitglied der Endlagerkommission die Herren Jäger und Fischer an dieser Stelle unmissverständlich auffordern, ihr Mandat in der Kommission umgehend niederzulegen oder zumindest ruhen zu lassen, solange ihre Klagen nicht vom Tisch sind. Formell an einem Konsens mitwirken zu wollen, dessen Grundlagen man gleichzeitig mit Millionenklagen untergräbt – das geht nicht. Und das werden wir auch nicht länger akzeptieren.“
Öffentlichkeitsbeteiligung
Brunsmeier und Sommer haben umfassende Vorschläge zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Kommission eingebracht. Sie fielen bisher alle weitgehend unter den Tisch. Was jetzt von der entsprechenden AG vorbereitet wird, kommt viel zu spät und hat mit echter Beteiligung wenig zu tun. Jörg Sommer schrieb vor der letzten Kommissions-Sitzung:
„Die zentrale Frage für mein weiteres Engagement in Sachen Beteiligungsprozess: Wie glaubhaft ist diese Kommission, wenn sie auch nach fast einem Jahr Tätigkeit weder aktive Beteiligungsmöglichkeit bietet noch auch nur deren Grundlagen geschaffen hat? Dieser Frage müssen wir uns endlich stellen. Seit Monaten kämpfe ich dafür, die von den Experten vorgetragenen Grundbedingungen zu diskutieren und zur Grundlage einer gelingenden Partizipation zu machen. Noch immer wird diese Forderung ignoriert oder gar als „Ideologie“ abqualifiziert. Wenn Experten wie Prof. Renn oder Prof. Nanz dann dieselben Forderungen noch einmal wissenschaftlich untermauern, widerfährt ihnen Ähnliches: Nach deren Vorträgen hatte die zuständige Arbeitsgruppe leider keine Zeit, um diesen Input zu diskutieren. Leider muss ich an dieser Stelle konstatieren: Eine Legitimierung der nach aktuellem Stand der Entwicklung auf uns zukommenden Bürgerbeteiligungssimulation durch die Kommission durch meine Beteiligung an der verantwortlichen Arbeitsgruppe wird es nicht geben. Am kommenden Montag tagt die Kommission – von den Ergebnissen dieser Sitzung werde ich meine weitere Mitarbeit abhängig machen.“
Bisher hat Sommer sich noch nicht geäußert, wie er sich nun entschieden hat.
Zwischenlagerung
Der BUND hat zur letzten Sitzung der Kommission ein vorzügliches Papier zu den notwendigen Konsequenzen aus dem Urteil zum Zwischenlager Brunsbüttel vorgelegt. Doch eine große Mehrheit der Kommission ist der Ansicht, dass dieses Thema bei Atomaufsicht und Betreibern in guten Händen ist. Das BUND-Papier wurde also nicht weiter behandelt, das Thema nach Aussprache ohne Entscheidungen abgehakt.
Veränderungssperre Gorleben
Der Salzstock Gorleben ist durch eine Veränderungssperre davor geschützt, für Zwecke angebohrt zu werden, die der Atommüll-Lagerung entgegenstehen. An anderen potentiellen Standorten gibt es keine Veränderungssperre. Findige KommunalpolitikerInnen können also mit Bohrprojekten den Untergrund unbrauchbar machen. Da diese Situation eine klare Bevorzugung von Gorleben bedeutet, fordern einige Kommissionsmitglieder von Anfang an eine neue Regelung, die alle Standorte gleichstellt.
Klaus Brunsmeier richtete sich in der dritten Kommissions-Sitzung direkt an die anwesende Bundesumweltministerin:
„Also entweder die Veränderungssperre läuft im Jahre 2015 aus und ist überall eine weiße Landkarte, die keine Veränderungssperren hat, oder Sie entwickeln eine Veränderungssperre, die sozusagen die Suche nach einem Atommüll-Lager in Deutschland weiterhin ermöglicht, aber die für die weiße Landkarte, eben für ganz Deutschland gilt.“
Jetzt hat die Bundesumweltministerin der Kommission mitgeteilt, dass sie die Veränderungssperre in Gorleben um zehn Jahre verlängern wird, weil Gorleben als einziger Standort im Endlagersuchgesetz benannt ist. Ob und wann und wie es eine Regelung zur Sicherung anderer potentieller Standorte geben wird, bleibt vorerst offen. Damit gibt es keine Gleichstellung von Gorleben gegenüber anderen Standorten.
Wie geht es weiter?
Ich bin mir nicht sicher, ob den anderen Kommissions-Mitgliedern bewusst ist, dass sich da etwas zuspitzt. BUND und Umweltstiftung haben zu den genannten Punkten eindeutige Forderungen erhoben. Wenn diese Forderungen in der Kommission nicht ernsthaft aufgegriffen werden, dann wird der Spielraum für Brunsmeier und Sommer, weiter mitzuarbeiten, immer kleiner.
Die bisherige Taktik der Kommissionsvorsitzenden ist es, zu den strittigen Punkten Debatten zuzulassen, einige davon auch immer wieder neu zu debattieren, aber Entscheidungen zu vermeiden. So werden die Forderungen und Vorschläge von BUND und Umwelthilfe zwar nicht ganz offen verworfen. Aber es werden trotzdem Fakten geschaffen: Die Veränderungssperre wird verlängert. Eon und RWE ziehen die Klagen nicht zurück und arbeiten weiter in der Kommission. Die Konzepte von Sommer und Brunsmeier zur Öffentlichkeitsbeteiligung werden nicht umgesetzt. Aus dem Brunsbüttel-Urteil zieht die Kommission keine Konsequenzen.
Extrem unzufrieden ist inzwischen auch Sylvia Kotting-Uhl, die für die grüne Bundestagsfraktion in der Kommission sitzt. Sie sprach in der letzten Sitzung davon, dass die kleinen Fortschritte in Sachen Vertrauensaufbau, die die Kommission aus ihrer Sicht mache, durch die aktuellen Entwicklungen wieder zunichte gemacht würden:
„Wir können uns hier die Arbeit eigentlich sparen. Das macht wirklich so keinen Sinn.“