Der österreichische Energieversorger „Verbund“ bietet Bayern Stromlieferverträge an, die die Versorgung des Landes über Jahre sicherstellen und die Atomkraftwerke überflüssig machen würden. Doch Bayern will den schnelleren Atomausstieg nicht.
Der größte Energieversorger aus dem Nachbarland könnte Bayern 5.200 Megawatt Kraftwerksleistung zur Verfügung stellen, sagte der Vorstandschef des Unternehmens, Wolfgang Anzengruber, Anfang Dezember. Das entspräche ziemlich genau der Leistung der Atomkraftwerke im Freistaat, die bis zum Jahr 2022 abgeschaltet werden. Auch der Transport des österreichischen Stroms nach Bayern wäre laut Anzengruber kein Problem, denn die Leitungen sind vorhanden, man müsste keine neuen bauen.
Die Verbund AG produziert 90 Prozent des Stroms aus Wasserkraftanlagen, in Bayern betreibt Verbund bereits 22 große Anlagen. Anzengruber spricht in Bezug auf das aktuelle Angebot neben Pumpspeicherkraftwerken aber auch von Gasturbinen. Österreich besitzt kein Atomkraftwerk und setzt sich immer wieder auch für einen europäischen Atomausstieg ein.
Bayern betreibt neben den Atomkraftwerken Isar-2 und Grafenrheinfeld auch die letzten zwei Siedewasserreaktoren Deutschlands am Standort Gundremmingen. Sie sind laut einer Greenpeace-Studie besonders unsicher, dürfen aber noch Jahre laufen. Mit jedem Betriebstag wächst der Berg an hochradioaktiven Atommüll, für den es keine Entsorgungslösung gibt.
Damit die Energiewende in Deutschland gelingen kann, braucht es nach Einschätzung der Regierung als Ergänzung zu Erneuerbaren Energien leistungsstarke, grundlastfähige Kraftwerke, die nur dann Strom liefern, wenn er gebraucht wird. Bayern plant derzeit mit Neubauten von vier bis fünf Gaskraftwerken, für die sich aber keine Investoren finden lassen. Denn sie dürfen nur dann betrieben werden, wenn nicht ausreichend Strom aus Sonne, Wind oder Biomasse verfügbar ist – was sie unwirtschaftlich macht. Zusätzlich sind neue Stromkabel von der Nordsee bis nach Süddeutschland nötig, um den Windstrom von der Küste abzutransportieren. Besonders dagegen gibt es Widerstand, dem Bayern derzeit mit einem „Energiedialog“ begegnen will.
Das Angebot aus Österreich könnte mehrere Probleme lösen: Weniger Atommüll und ein geringeres Risiko eines schweren Unfalls durch einen schnelleren Atomausstieg. Doch Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner hält sich bedeckt. Im Rahmen des „Energiedialogs“ prüfe man alle Möglichkeiten, damit die Stromversorgung des Freistaats auch in Zukunft „sicher“ sei.
Kritik an diesem Angebot äußert Raimund Kamm vom „FORUM“ gegen das Zwischenlager am AKW-Standort Gundremmingen: Es scheine „aberwitzig zu sein, dass Österreich mit einem sogar negativen 2013-Stromhandelssaldo von 7,2 Milliarden kWh in Bayern den Wegfall von jährlich 40 Mrd. kWh Atomstrom ausgleichen kann“. Und auch die Geschäftspraktiken der „Verbund“ müssten genauer betrachtet werden: Seit Jahrzehnten streiten in Österreich Naturschützer dagegen, dass zu viele Flüsse und ganze Täler aufgestaut werden. Es müsse um etwas ganz anderes gehen, fordert Kamm: Auch Bayern könne sich mittelfristig zu 100% aus Erneuerbaren Energien versorgen – wenn die Regierung die Wege dahin ebnet und nicht verbaut.
- AKW Grafenrheinfeld abschalten – lieber heute als morgen
Und das ist problemlos möglich, ohne dass „Strombrücken“ oder neue Gaskraftwerke gebaut werden müssten. Das belegt eine Studie zur Versorgungssicherheit in Bayern.
- Unsicheres AKW Gundremmingen ist eine permanente Bedrohung
8. Dezember 2014 — Auf eine 3 mit elf Nullen ist AKW-Betreiber RWE zur Zeit besonders stolz: Einer der beiden letzten Siedewasserreaktoren Deutschlands hat am 8. Dezember 2014 seit Betriebsbeginn diese Menge an Strom in Kilowattstunden erzeugt. Die Meiler in Gundremmingen gehören zu den unsichersten, die noch laufen dürfen.
- Bayern auf Atomkurs
2. Dezember 2014 — Horst Seehofer, Ministerpräsident des Landes mit der höchsten Abhängigkeit zur Atomkraft ist weiter auf Crashkurs mit dem Atomausstieg. Bei einem Besuch in China unterzeichnete er kürzlich eine Absichtserklärung für die Zusammenarbeit im Bereich der Öko-Energie als auch der Atomkraft.
- Windkraft laut Seehofer gefährlicher als AKW
10. Juli 2014 – Anfrage der SPD zeigt: Abstand von AWK zu Siedlungen in Bayern geringer als geplante 10H-Regelung. “Jeder Meter zählt für Horst Seehofer, wenn es um den Abstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern geht, jedenfalls in Bayern. Geht es nach dem Willen des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs, kann dieser Abstand gar nicht groß genug sein,” schreibt Spiegel Online.
Quelle (Auszug): sueddeutsche.de, 01.12.2014