Der „Europäische Druckwasserreaktor“ (EPR) sollte Areva den ganz großen Durchbruch auf dem international umkämpften Markt um den Bau von neuen Atomkraftwerken bringen. Doch nun steht der französische Atomkonzern vor der Pleite.
Am Standort Flamanville am Ärmelkanal befindet sich seit 2007 der einzige Reaktor in Frankreich im Neubau. Und er droht zu einem finanziellen Fiasko zu werden: Das Projekt hinkt bereits mehrere Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan hinterher und die voraussichtlichen Baukosten betragen heute 8,5 Milliarden Euro. Geplant war ursprünglich eine Fertigstellung 2012 zu Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Nun hofft Betreiber EDF auf einen Start des Meilers in 2017. Es gebe „Schwierigkeiten“ mit der Anlagenlieferantin Areva SA, bei der Montage bestimmter Hochdruckkomponenten und bei der Auslieferung von Ausrüstungen wie dem Deckel und den Einbauten des Reaktorgefäßes. Es gibt laut Atomaufsicht zudem Risse in den inneren Reaktorwänden, das Pariser Wochenblatt „Canard Enchaîné“ spricht von „42 Zentimeter großen Löchern“.
Areva hatte diese „neue Generation“ von Reaktoren zusammen mit dem deutschen Unternehmen Siemens seit den 90er Jahren entwickelt. Beide behaupten, der EPR sei „sicherer“ als die aktuellen Reaktoren – die havarierten Meiler von Fukushima selbstverständlich eingeschlossen. Doch dieser Versuch einer „Renaissance der Atomenergie“ floppte – nicht erst mit dem GAU in Japan. Denn auch auf der zweiten europäischen AKW-Baustelle des EPR, in Finnland, haben sich die Kosten seit 2004 verdreifacht. Siemens ist unterdessen wegen unkalkulierbaren finanziellen Risiken aus dem Geschäft ausgestiegen. Zudem beschäftigen Geschäfte mit Uranminen der Areva aus der Vergangenheit die Justiz. Der Hauptgrund für den tiefen Fall des staatseigenen Konzerns ist allerdings die weltweit schlechte Konjunktur für Atomenergie. Areva steht heute vor der Pleite.
Und nun soll der französische Staat – also der Steuerzahler – zwei Milliarden Euro beisteuern, um seinen einstigen Prestigekonzern in Staatshand zu retten. Areva fährt parallel Investitionen runter, Kritiker befürchten auch in Bereichen der AKW-Sicherheit. Und der einfachste Weg für schnelle Gewinne wäre eine Laufzeitverlängerung für bestehende Meiler. Ein Spiel mit dem Feuer also, vor dem Experten warnen. Mit steigendem Alter wächst auch die Gefahr von schweren Unfällen weil bestimmte Komponenten in einem AKW nicht erneuert werden können.
Die Ironie an dieser Situation: An seinen aktuellen Plänen, in England ein neues Atomkraftwerk zu bauen, hält Areva weiter fest.
„Die vielbeschworene Renaissance der Atomenergie landet in Wirklichkeit im Konkurs von Areva, EDF und wohl auch des französischen Staates“, analysiert Hans-Josef Fell, der bis 2013 energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen war. „Wann endlich begreifen die Atomkraftbefürworter, dass die Atomenergie nicht nur zur radioaktiven Verseuchung großer Landstriche führt, nicht nur in die atomare Bewaffnung, sondern auch ganze Konzerne und Staaten ökonomisch ruiniert?“
weiterlesen:
- 28. Februar 2014 – Festhalten an Atomkraft beschert Riesenverlust. Atomkonzern Areva in der Miese
- 5. Januar 2014 – AKW-Neubau: 8 Jahre Verzug. Neue Negativmeldungen aus Olkiluoto
- 21. Oktober 2013 – Areva soll neue AKW in England bauen
- Hintergrund: Die Schwachstellen der AKW
- Atomkraft in Frankreich: Der Super-GAU in Fukushima hat viele aufgeweckt. Das Dogma Atomkraft bröckelt.
Quellen (Auszug): nuklearforum.ch, proteus-solutions.de, badische-zeitung.de 21.,22.,25.11.2014