Mit einem fingierten Informationsbrief sorgt Greenpeace in der Schweiz gerade für Aufregung. Dort bekamen zuvor Anwohner von Atomkraftwerken zur Nachbesserung der Katastrophenschutzmassnahmen gegen AKW-Unfälle Jodtabletten mit der Information „im Notfall gut geschützt“. Eine Ansicht, an der auch Deutschland weiter festhält.
Die Gefahr eines AKW-Unfalls sei „in der Schweiz real“, attestiert Greenpeace. Das hätten die Behörden mit der aktuellen Verteilung von Jodtabletten amtlich bestätigt. Gleichzeitig werde aber die Bevölkerung in falscher Sicherheit gewiegt: In der offiziellen Kommunikation werden Informationen über die tatsächlichen Risiken von Atomunfällen unterschlagen und sogar irreführend behauptet, mit den Jodtabletten sei man „im Notfall gut geschützt“, kritisiert Greenpeace.
Mit einem fingierten Schreiben der „Geschäftsstelle Kaliumiodid-Versorgung, zuständig für die Jodtabletten-Verteilung“ haben die UmweltschützerInnen nun fast eine Million Schweizer Haushalte vor Falschinformationen gewarnt. Diese Vorsorgemassnahme gegen Strahlenschäden nach einem schweren Reaktorunfall sei nur dann „am wirksamsten, wenn sie kurz vor dem Durchgang einer radioaktiven Wolke eingenommen werden. Wir können aber nicht garantieren, dass die Aufforderung, die Tabletten einzunehmen, rechtzeitig erfolgt“, so das Schreiben. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima wurde die umliegende Bevölkerung nicht rechtzeitig informiert. Auch die geplanten Katastrophenschutzmassnahmen in der Schweiz wären an der Stelle unwirksam, so Greenpeace.
„Es ist erschreckend, wie unzureichend und irreführend die Behörden über die Jodtabletten-Verteilung informieren“, sagt Christian Engeli, Kampagnenleiter bei Greenpeace Schweiz. In einem solchen Notfall ist niemand „gut geschützt“, wie dies von den zuständigen Behörden kommuniziert wird. Nur die Stilllegung der fünf Schweizer Kernkraftwerke sei ein wirksamer Schutz gegen nukleare Risiken.
Auch in Deutschland setzen die Behörden auf die „Jodblockade“ gegen Schilddrüsenkrebs bei einem GAU. Zur Zeit wird die Ausweitung der Verteilungs- und Evakuierungsradien um die Meiler diskutiert, im Frühjahr 2014 gab die Strahlenschutzkommission eine entsprechende Empfehlung ab. An der Umsetzung tatsächlicher Vorsorgemassnahmen mangelt es aber weiter.
In Baden-Württemberg zum Beispiel sollen „die Regierungspräsidien nun mit den Landratsämtern und Gemeinden die Grenzen der Planungsgebiete abstimmen“. Eine „unter Federführung des Innenministeriums Baden-Württemberg formulierte Rahmenempfehlung zur Evakuierungsplanung“ solle von der Innenministerkonferenz bei ihrer Herbstsitzung am 11./12. Dezember in Köln verabschiedet werden. Damit sollen dann den betroffenen Behörden „ergänzende, einheitliche Arbeitsmittel“ zur Verfügung gestellt werden, schreibt das Innenministerium Baden-WÜrttemberg in einer Presseerklärung vom Freitag. Umzusetzen sind auch neue Vorgaben für den „Aufenthalt in Gebäuden“ sowie die Verteilung und Einnahme von Jodtabletten.
Die Stadt Herne in Nordrhein-Westfalen muss laut Katastrophenschutzplan Jodtabletten lagern, für den Fall, dass es im immerhin 100km entfernten Atomkraftwerk Emsland zu einem schweren Störfall kommt. Es gibt in Herne aber gar kein Depot für solche Pillen. Gegenüber der „WAZ“ sagte eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums, die Pillen „müssen erst noch produziert werden“.
Katastrophenschutz – was passiert nach dem Atomunfall?
Wenn es in einem der AKW zu einem Atomunfall kommt, helfen laut Katastrophenschutzplan Feuerwehr und Rettungsdienste der Bevölkerung. Im Dokumentarfilm „Das Ding am Deich“ sagt der Katastrophenschutzleiter: Je öfter wir üben, desto klarer wird – so ein Unfall darf nicht passieren. – mehr
Die Unsicherheit von Atomkraftwerken
Alle AKW sind „sicher“ – behauptet die Bundesregierung. Und angeblich soll bei deren Betrieb Sicherheit „oberste Priorität“ haben. Zweifel sind angebracht. Informationen und Einschätzungen dazu gibt es auf dieser Seite.
weiterlesen:
- Die Katastrophe wird größer
31.10.2013 – Strahlenschutzkommission lernt von Fukushima - Gutachterliche Stellungnahme von Dipl.-Ing. Dieter Majer: Kein AKW gegen Flugzeugabstürze geschützt
10.07.2013 – Schon mittelgroßer Flieger kann Super-GAU auslösen
Quellen (Auszug): greenpeace.ch, im.baden-wuerttemberg.de, derwesten.de; 11./13./14.11.2014