Tausende Menschen haben 49 schriftliche Einwände gegen den von RWE geplanten Rückbau der nach Fukushima stillgelegten Reaktoren Biblis A und B in Hessen eingereicht. Am Dienstag und Mittwoch wurde die Kritik öffentlich erörtert – bis es zum Abbruch kam: AtomkraftgegnerInnen verliessen aus Protest die Veranstaltung.
Werner Neumann, Sprecher des BUND-Bundesarbeitskreises Energie in Hessen, warnte in seiner Stellungnahme vor einem „erheblichen Gefahrenpotenzial“ durch den Rückbau von Biblis A und B. Die fast 1.000 Brennelemente lagern in offenen Nasslagerbecken, die ständig gekühlt werden müssen. Fällt die Kühlung aus, kann es auch nach der Stilllegung der Reaktoren zu einem schweren Störfall mit „immensen Auswirkungen und radioaktiver Verseuchung des ganzen Rhein-Main-Neckar-Raums“ kommen. Durch das sogenannten „Freimessen“ sollen tausende Tonnen radioaktiv belastetes Material mit einer Aktivität von Hunderten Billionen Becquerel wieder in die Umwelt gelangen. Sie werden dann unkontrolliert auf Alltagsgegenstände verteilt, kommen aus der Abluft von Müllverbrennungsanlagen oder werden in Gebäude, Straßen und Sportplätze als Recyclingmaterial eingebaut, „und niemand weiß wo“, so Neumann.
Weil der Rückbau des AKW ein „hoch emotionales Thema“ sei, so Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, sei es wichtig dass mit „allen Bedenken, Sorgen und Einwendungen sorgfältig und transparent“ umgegangen werde.
Die von RWE offengelegten Unterlagen haben sich als „absolut unzureichend und unvollständig erwiesen, um die vom Abriss ausgehenden gesundheitlichen Risiken und Gefahren zu beurteilen“, schreiben nun die EinwenderInnen in einer Stellungnahme zu ihrem Handeln am 12.11.. Man habe deshalb dem Hessischen Umweltministerium im Erörterungstermin mitgeteilt, dass die EinwenderInnen geschlossen an diesem Termin nicht weiter teilnehmen könnten.
Es sei nicht möglich gewesen, im Sinne einer Erörterung „Argumente abzuwägen oder neue Informationen zu erhalten“. Der AKW-Betreiber RWE habe „oft genug nur ihre Unterlagen vorgelesen ohne Details über die Radioaktivität im Reaktor und die geplanten Maßnahmen detailliert mitzuteilen“. Zudem sei „der Kernbereich des Rückbaus (Druckbehälter)“ ausgeklammert worden. Der Öffentlichkeit seien darüber hinaus „erhebliche“ Informationen, die der Behörde vorliegen, vorenthalten worden. Man sei enttäuscht: Das Versprechen eines transparenten Verfahrens von Umweltministerin Priska Hinz sei „in keiner Weise eingelöst und konterkariert“.
Als Konsequenz fordern die AtomkraftgegnerInnen den Abbruch des Genehmigungsverfahrens, vollständige, detaillierte Beschreibung des Vorhabens, Offenlegung aller Unterlagen und Durchführung einer neuen Öffentlichkeitsbeteiligung, die ihren Namen verdient. Neumann kritisiert darüber hinaus auch die Grenzwerte für die Freigabe des Abbruchmaterials: sie seien „viel zu hoch angesetzt“.
Weitere Informationen:
- contratom.de – Rückbau des AKW Biblis: Keinesfalls harmlos oder ungefährlich
24. September 2014 – Brillengestelle, Essbestecke, Kaffeekanne: Der BUND warnt aktuell vor den Gefahren beim Abriss der Meiler von Biblis. Bei der aktuellen Strahlenschutzverordnung gelange zu schnell Material in den Stoffkreislauf zurück, welches noch gesundheitliche Risiken mit sich bringt.
- Hintergrund: AKW-Schutt auf Hausmülldeponien
Wie per „Freimessung“ aus Atommüll einfach Hausmüll wird und warum trotzdem kaum noch eine Deponie dafür zu finden ist.
Quellen (Auszug): bund-hessen.de, atomerbebiblis.ibk.me, dpa; 12.11.2014