Auf ihrer zweiten Sitzung wird sich die Atommüll-Kommission hauptsächlich mit zwei Themen beschäftigen: Zum einen soll die Geschäftsordnung beschlossen werden. Die Kommission legt damit selbst die Spielregeln für ihre Arbeit fest. Zum anderen wird über das Arbeitsprogramm für die nächsten Monate gesprochen.
Die beiden Kommissions-Vorsitzenden Ursula Heinen-Esser (CDU) und Michael Müller (SPD) haben sowohl für die Geschäftsordnung als auch das Arbeitsprogramm Vorschläge erarbeitet und vorab an die Mitglieder der Kommission verschickt.
Für interessierte Bürgerinnen und Bürger soll es zwar diesmal eine Übertragung der Sitzung per Livestream im Internet geben, allerdings sind die Vorlagen-Papiere, über die die Kommission sprechen wird, nicht öffentlich zugänglich. Es dürfte für Interessierte deshalb nur mit Schwierigkeiten möglich sein, der Diskussion zu folgen.
Transparenz bleibt also weiterhin ein großes Manko. So ist es der Bundestagsverwaltung bis heute weder gelungen, einen vollständigen Mitschnitt der ersten Sitzung vom 22. Mai ins Netz zu stellen noch das Ergebnisprotokoll zu veröffentlichen. Ein Wortprotokoll ist erst gar nicht vorgesehen.
Der Geschäftsordnungs-Entwurf: Es geht immer noch schlimmer
Ein Blick in den Geschäftsordnungs-Entwurf der beiden Vorsitzenden zeigt, dass sie für die Kommission auch in Zukunft lieber weniger als mehr Transparenz möchten. So sollen
- Arbeits- und Beratungsgrundlagen vertraulich behandelt werden.
- Abstimmungsergebnisse lediglich nach der Zahl der Stimmen protokolliert werden aber nicht danach, wer welche Position eingenommen hat.
- Live-Übertragungen der Sitzungen im Internet als Öffentlichkeit ausreichen – Besucherplätze sind also nicht zwingend.
Ein weiteres Manko der Geschäftsordnung: Die Rechte der PolitkerInnen in der Kommission werden ausgeweitet. Dabei hatten sie bisher schon fast alles alleine bestimmt – auch wenn sie öffentlich so tun als ob sie Macht abgeben.
So sollen auch StellvertreterInnen (die nur die PolitikerInnen haben) Rederecht bekommen, selbst wenn die Person, die sie vertreten, anwesend ist. Damit hätten insgesamt 32 PolitikerInnen während einer Sitzung Rederecht – aber nur acht „WissenschaftlerInnen“ und acht VertreterInnen gesellschaftlicher Gruppen.
Anders als im Endlagersuchgesetz vorgesehen, sollen in der Kommission außer beim Abschlussbericht die PolitikerInnen bei allen Fragen mit abstimmen, obwohl sie formal kein Stimmrecht haben.
Minderheitenrechte sollen eingeschränkt werden: So können externe Gutachten nur vergeben werden, wenn dies mindestens sechs Mitglieder der Kommission beantragen.
Völlig absurd ist die im Geschäftsordnungs-Entwurf vorgesehene „Öffentlichkeitsbeteiligung“. Sie bleibt noch weit hinter den Regeln im Gesetz zurück, obwohl schon diese als völlig unzureichend kritisiert wurden. Jetzt soll es nur noch die Möglichkeit geben, per E-Mail oder in Zukunft über eine spezielle Internet-Seite der Kommission zu schreiben. Die Geschäftsstelle siebt die Zuschriften aus und stellt der Kommission eine Zusammenfassung zur Verfügung. Manche Zuschriften werden im Internet veröffentlicht. Das war es. Da soll noch nicht einmal der leiseste Anschein erweckt werden, man nehme die Bevölkerung ernst und wolle Mitbestimmung und einen gesellschaftlichen Konsens. Aber vielleicht sollten wir uns für so viel Ehrlichkeit bedanken…
Entschieden werden soll über die Geschäftsordnung übrigens mit einfacher Mehrheit. Das klang in der mit der Einsetzung der Kommission verabschiedeten Entschließung des Bundestages noch ganz anders: „Der Deutsche Bundestag appelliert, durch prozessuale Regelungen das Konsensprinzip in der Kommission zu stärken. Das Konsensprinzip soll gerade bei Geschäftsordnungsfragen (…) eine wichtige Leitlinie sein.“
Ist ja irgendwie auch logisch, macht es doch wenig Sinn, wenn eine Mehrheit in der Kommission einer Minderheit die gemeinsamen Spielregeln aufdrücken kann. Doch im Geschäftsordnungs-Entwurf findet sich keine „prozessuale Regelung“, mit der das Konsensprinzip gestärkt würde.
Die Bundestags-Entschließung war übrigens für den BUND ein gewichtiges Argument, seine ursprüngliche Haltung zu ändern und einen Platz in der Kommission einzunehmen…
Das Arbeitsprogramm: Keine stringente Reihenfolge
Es sind die Details, die auffallen:
Ist im Endlagersuchgesetz noch davon die Rede, es brauche einen Standort mit der bestmöglichen Sicherheit, so steht im Entwurf des Arbeitsprogramms, es gelte, die Risiken der Lagerung zu mindern. Klingt erst mal, als wäre es dasselbe, ist aber juristisch etwas völlig anderes.
Es soll von Anfang an eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die technisch-wissenschaftliche Kriterien für die „Endlagerung“ entwickelt, obwohl die Kommission eigentlich zuerst verschiedene Lagerkonzepte vergleichen und sich dann erst auf ein Konzept festlegen soll. Vorher schon Kriterien zu entwickeln ist entweder sinnlos oder es zeigt, dass die Entscheidung in Wirklichkeit längst gefallen ist.
Eine Forderung aus der Umweltbewegung war ja, dass die Kommission zuerst das Gesetz evaluiert und dem Bundestag Veränderungsvorschläge macht, damit dieser das Gesetz entsprechend ändert. Erst danach solle sich die Kommission ihren anderen Aufgaben zuwenden. In der Entschließung des Bundestages gibt es zumindest noch Hinweise auf dieses Vorgehen. Davon ist im Entwurf des Arbeitsprogramms aber kaum noch etwas übrig. Jetzt sollen alle möglichen Themen parallel erörtert werden.