Die Polizei darf sich nicht mehr unerkannt in zivil unter Demonstrationen mischen. Das hat das Verwaltungsgericht am Mittwoch entschieden, wie dieser Artikel berichtet. Die Göttinger Anti-Atom-Initiative hatte sich bei dem Gericht über die Anwesenheit von Zivilpolizisten auf ihren Kundgebungen beschwert, die sich nicht zu erkennen gaben.
Drei Kundgebungen der Anti-Atom-Initiative Göttingen standen im Fokus des Prozesses vor dem Göttinger Verwaltungsgericht, der weit darüber hinaus Auswirkungen haben wird. Am 5. September und 10. Oktober hatten sich in Zivilpolizisten unter die TeilnehmerInnen gemischt. Dass verriet schon damals der Einsatzleiter auf Nachfrage der Anmelderin in einem Gespräch. Wer allerdings dort gerade rein dienstlich demonstrierte, verriet er nicht. Für eine dritte Kundgebung konnte das Gericht nicht genau klären, ob wirklich Polizeibeamte in Zivilkleidung im Einsatz waren.
Das niedersächsische Versammlungsgesetz regelt, was die Polizei bei Einsätzen auf Demonstrationen tun darf – und was nicht. Denn, so stellte Richter Thomas Smollich in der mündlichen Verhandlung fest: “Das Versammlungsrecht ist nicht irgendwas – das ist ein Grundrecht!” Und die Begleitung durch die Polizei kann ein Eingriff in dieses Grundrecht sein, der durch ein Gesetz erlaubt werden muss. In Paragraf 11 schreibt es vor: “Die Polizei kann bei Versammlungen unter freiem Himmel anwesend sein, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz erforderlich ist. Nach Satz 1 anwesende Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben sich der Leiterin oder dem Leiter zu erkennen zu geben.”
Genau das wollte die Polizeit nicht, um “in der Szene” unerkannt ermitteln zu können. Dem hat das Verwaltungsgericht nun einen Riegel vorgeschoben: Richter Smollich erklärte es für rechtswidrig, dass sich Polizisten unerkannt in Demonstrationen aufhalten. Damit hat eine jahrelange Praxis der Göttinger Polizei ein vorläufiges Ende gefunden, in Zukunft müssen die Beamten sich zu erkennen geben. Allerdings hat die Polizei noch die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen das Urteil einzuleiten.
Die Klägerin fühlte sich durch die Entscheidung des Gerichts in seiner Haltung bestätigt: Für sie ist die Anwesenheit von Zivilpolizisten ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Demonstrationsfreiheit. Die in der DDR aufgewachsene Atomkraftgegnerin prangerte diese Polizeitaktik gar als “Stasi-Methode” an. “Spitzel” unter den TeilnehmerInnen schreckten andere von der Teilnahme ab. Da habe man eben “Angst, dann eine Akte zu kriegen”.
Der Argumentation der Klägerinnenseite schloss sich das Gericht letztlich an. Dass es nach Meinung des Vertreters der Polizei jedenfalls “keine größere Einschränkung” gewesen sei, spielt keine Rolle: Polizeibeamte, die auf Demonstrationen in Zivilkleidung eingesetzt werden, müssen sich zu erkennen geben.